Lights of Eternity: Investigating Concepts, Tradition, and Innovation in the Ancient Egyptian Astronomical Diagrams

Ein Beitrag von Maral Schumann

In ihrem Vortrag in der Plenumssitzung des GRK1876 am 08. Dezember 2022 hat Yossra Ibrahim die Fortschritte ihres Forschungsthemas, welches sie innerhalb ihrer Promotion zu “Lights of Eternity: Investigating Concepts, Tradition, and Innovation in the Ancient Egyptian Astronomical Diagrams” vorantreibt, vorgestellt. 

Anhand von Beispielen aus dem neuen Reich (18.-20. Dynastie) bis zum zweiten Jahrhundert n. Chr. hat sie versucht, die verschiedenen Varianten der Darstellung von astronomischen Diagrammen zu verdeutlichen. Diese Art von Darstellungen findet sich an Decken mancher Tempel aber auch in Gräbern, Särgen und Wasseruhren. In Ihrer Arbeit dokumentiert sie alle erhaltenen astronomischen Diagramme und sucht dabei nach einem Wiederholungsmuster, um die Darstellungen interpretieren zu können.

Bild 1. Die ägyptischen Himmelsdarstellungen im zeitlichen Verlauf

Im Rahmen ihres Projekts möchte Yossra Ibrahim Antworten auf folgende Fragen erarbeiten: 

Was ist ein Sternbild und auf welche Weise werden die Sternbilder in unterschiedlichen Kontexten dargestellt? Welchen Einfluss hatten fremde Ideologien und Kulturen auf die Himmelsdarstellung in Ägypten? Wie wurde der Tierkreis zusammen mit dem klassischen Himmelsbild eingeführt und integriert? 

Sie legt den Fokus ihrer Arbeit auf die Änderungen und Entwicklungen der Gestirnsdiagramme in verschiedenen Perioden. Sie ist dabei auf die Chronologie-Frage bzw. auf die Frage nach „Wann?“, wie z. B. „Wann entstand das erste Sternbild?“, bewusst nicht eingegangen.

Nach ihrer Definition sind Sternbilder nicht nur geometrische Muster, sondern grafische Verzierungen oder Gestaltungen, welche Dekane, Tierkreiszeichen, Sterne oder Planeten veranschaulichen. 

In ihrem Vortrag konzentrierte sie sich auf Untersuchungen der Dekane, Sternbilder und deren Zusammensetzung und auf die Katalogisierung der antiken ägyptischen Familie und ihren Traditionen, welche eine große Rolle bei der Interpretation der Gestirns-Diagramme spielen könnte.

Als Ziele ihrer Forschung setzt Yossra Ibrahim die Verbesserung des Verständnisses der altägyptischen Gestirnsdiagramme; eine Nachverfolgung des Wandels, der Umsetzung und der Entwicklung der dargestellten Gestirnelemente im Kontext der jeweiligen Epoche; zu bewerten, ob und inwieweit die griechisch-römische Kultur die Wahrnehmung der Menschen im ägyptischen Raum verändert hat; eine Untersuchung der Einführung des Tierkreises in das Bildprogramm und wie er in das dekorative Programm integriert wurde; die Einflussnahme bestimmter politischer und religiöser Akteure zu identifizieren, um den Zusammenhang mit der griechisch-römischen Kultur in dieser Region zu verdeutlichen.

Eine Darstellung aus dem Grab des Senmut (neues Reich, 18. Dynastie, ca. 1473 v. Chr.) ist eines der jüngsten astrologischen Bilder, dass sie bislang untersucht hat. Die astrologische Darstellung befand sich an der Decke der Grabkammer A.

Bild 2. Himmelsdarstellung an der Decke der Grabkammer von Senmut

Sie besteht aus zwei Bildteilen. Jedes Panel ist mit mehreren Reihen von Sternen umrahmt. An den Ecken der Rahmen befinden sich insgesamt vier runde Scheiben. In der Mitte finden sich vier Zeilen Inschriften, die dem Senmut gewidmet sind, und direkt im Zentrum ist die Titulatur der Königin Hatschepsut zu sehen. Auf dem Südpanel sind die Starcluster (oben rechts), die damit assoziierten Götter und einige Sterne zu sehen. Darunter sind die mit jedem Dekan zusammenhängenden Elemente und Figuren dargestellt. Es sind auch das Sternbild Orion und der Stern Sirius abgebildet, als Gott Isis, zwei adlerköpfige Figuren, die die Planeten Jupiter und Saturn verkörpern, der Planet Merkur, der von einer sehr kleinen Figur oberhalb seines Kopfes begleitet wird und der Planet Venus (letzte Spalte links), der als Vogel dargestellt ist. Darüber hinaus sind noch einige andere Tiere wie Widder, Schildkröte, Vögel und ein eiförmiges Objekt zu sehen.

Auf dem Nordpanel befinden sich zwölf Kreise, welche die zwölf Monate des Jahres repräsentieren. Darunter ist eine Reihe von Göttern, die eine Gruppe bilden. Die Hälfte wird von einem weiblichen Flusspferd begleitet, welches ein Krokodil auf dem Rücken und ein kleines Krokodil in einer Hand trägt. Die andere Hälfte wird von einer Person begleitet, die mit einem Krokodil kämpft. Oberhalb dieser Szene, zwischen den zwölf Kreisen befindet sich eine adlerköpfige Person, die einen Stab oder eine Lanze auf ein stierartiges Wesen ausrichtet. Hinter dem Stier steht eine weitere Person.

Das Konzept, das in diesem Zusammenhang in Frage kommt, ist die „Zeit“, wie am Beispiel von Dekanen, Kalender und Uhrzeit. Ein anderes Konzept ist die „Unsterblichkeit“, die nach Yossra Ibrahims Meinung durch den Stier in verschiedener Art und Weise gezeigt wurde, wie z. B. der vierbeinigen Stierkopf/ Stier als Personifikation der Unsterblichkeit. 

Bild 3. Stierdarstellungen aus verschiedenen Traditionen und Zeiten

Die Untersuchung der astronomischen Diagramme und Darstellungen in Ägypten ist allgemein sehr herausfordernd, da solche Darstellungen meistens an den Decken der Grabkammern und Tempeln zu finden sind und die Decken in vielen Fällen sehr schlecht und unvollständig erhalten, oder uns zu großen Teilen verloren gegangen sind. 

In ägyptischen astronomischen Texten gibt es 80 astronomische Diagramme in Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einer Familie. Dadurch werden fünf Hauptfamilien und viele untergeordnete Familien definiert. Diese Teilung basiert auf einer Dekanenliste (jede Familie war auf bestimmte Dekane fokussiert). Die Untersuchung der ikonografischen Charaktere der Familien Gestirnediagramme zeigen zwei Traditionen: die „Senmut“-Tradition und die „Seti“-Tradition. Bei der „Seti“-Tradition wurden die adlerköpfige Figur, Krokodil, Löwe und besonders der Stier genauer und naturgetreuer dargestellt. Die adlerköpfige Figur wurde so dargestellt, dass er die Plattform, auf der der Stier abgebildet ist, unterstützt. In der „Senmut“-Tradition sind die genannten Figuren in Mischformen gezeigt. Die adlerköpfige Figur in der „Senmut“-Tradition wurde als gegen den Stier kämpfend dargestellt.

Auf einigen Darstellungen sind ab der 20. Dynastie die „Senmut“- und die „Seti“-Tradition gleichzeitig auf einem Bild zu sehen. Yossra Ibrahim interpretiert dies so, dass sich die Grabbesitzer oder Grabgestalter ab der 20. Dynastie entschieden haben, nicht nur an einer Darstellungstradition festzuhalten, sondern die beiden Traditionen zu kombinieren. Es wird vermutet, dass durch die Kombination beider Ansichten versucht wurde, ein vollständiges Bild der Himmelskörper zu erschaffen. 

Bild 4. Gegenüberstellung von „Senmut“- und „Seti“-Tradition

Ihre nächste Theorie betrifft das Design und die Zusammensetzung der Elemente. Sie schlägt sieben mögliche Klassifizierungen für den Aufbau vor: 

2 Paneele
3 Register
Doppeldiagramme
2 Paneele + Nut
Tierkreiszeichen
Tierkreiszeichen + Nut
Tierkreiszeichen + 2 Paneele + Nut

Sie ergänzt folgende Punkte:

Die vollständig abgebildeten Stiere kommen nur in fünf Königsgräbern vor. 

Die Sternzeichen kommen ursprünglich aus Babylonien und sind in Ägypten allgemein akzeptiert. 

Astrologische Darstellungen kommen auch auf anderen Medien außer Decken von Gräbern und Tempeln vor. 

Als Beispiel stellt sie die Särge der Familie Soter (2 Jh. n. Chr.) vor. Diese Särge sind mit Sternzeichen verziert. Die Sternzeichen, wie z. B. Zwillinge, tragen ägyptische Haartracht und sind ägyptisch bekleidet. Die Sternzeichen bekamen somit eine ägyptische Identität. In manchen Fällen kommen zusätzlich astronomische Diagramme neben Tierkreiszeichen vor, wie in folgendem Beispiel, wo sie an den Seitenwänden von Särgen abgebildet sind: 

Bild 5. Zwei Särge der Familie Soter

In der Diskussionsrunde wurde die Frage gestellt, warum der Gott Horos in der „Senmut“-Tradition gegen den Stier kämpft. Es wird vermutet, dass der Gott Horos in dieser Szene versucht, die Zeit unter Kontrolle zu bekommen. Weiterhin wurde gefragt, ob die Namen aller Sternbilder herausgefunden werden könnten. Dies wird als wichtiger Aspekt erachtet, ist aber noch in der Bearbeitung. Das Auditorium interessierte sich auch für die Idee von Himmelskörpern an der Decke der Gräber. Als Antwort wurde eine Visualisierung des Nachthimmels vorgeschlagen. Da das Grab einen Mikrokosmos des Universums darstellen sollte, wurden diese Elemente an der Decke der Gräber abgebildet. Der Zusammenhang zwischen Familienzugehörigkeit und Sternbildern wurde ebenfalls erfragt. Diese wurden bereits von früheren Wissenschaftlern in Zusammenhang gebracht und in dieser Art und Weise dokumentiert, um eine mögliche Klassifizierung definieren zu können. Es wäre denkbar, dass dies für heutige Studien unnötig oder irrelevant ist. 

Insgesamt gesehen wurden von Yossra Ibrahim wissenschaftlich sehr interessante Aspekte zu ägyptischen astronomischen Diagrammen vorgestellt, die sich in der lebhaften Diskussion des Publikums zu diesem Thema widerspiegelten.

Kommentare