33. Tagung des Arbeitskreises ‚Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption‘ (AKAN)

Ein Beitrag von Christoph Appel

Nach dreijähriger Aussetzung konnte der Arbeitskreis ‚Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption‘ (AKAN) erstmals wieder in Präsenz tagen. Pünktlich zur Veröffentlichung des jüngsten, aus dem letztjährigen digitalen Treffen hervorgegangen Tagungsbandes  fanden sich die Teilnehmer zur nunmehr 33. Auflage des Formats an der Universität Mainz zusammen, wo sie von Professor Jochen Althoff begrüßt wurden. Wie gewöhnlich wartete die Veranstaltung, namentlich die Referate von insgesamt sechs Vortragenden, mit einer bunten Themenpalette auf, von der antiken Mathematik und Naturphilosophie über die Physiologie und Agrikultur bis hin zur Alchemie.

Zu Beginn widmete sich Giouli Korobili (Utrecht, NL) griechisch-römischen Konzepten von Steinen. Im Zentrum ihres Vortrages, in dem sie verschiedene (natur-)philosophische Textquellen in den Blick nahm, stand die Frage nach der Belebtheit von Steinen und deren Bezügen bzw. Abgrenzungen zu Vorstellungen des Kosmos und des Menschen. Präsentiert wurden dabei interessante Überlegungen zu ihrer Stellung im System der Lebewesen, ihrer Bedeutung für antike Seelenkonzepte sowie ihrer Rolle als Metapher der gesundheitlichen Verfassung des Körpers.

In die Sphären der antiken Mathematik führte der Beitrag von Claas Lattmann (Kiel). Seine Ausführungen zur sog. Quadratrix des Hippias von Elis machten die Teilnehmer mit zwei zentralen Problemen der frühen Geometrie vertraut: der Dreiteilung eines Winkels sowie der Quadratur eines Kreises, deren Funktionsweisen anschaulich anhand antiker Zeugnisse sowie geometrischer Modellierung vorgeführt wurden. Darüber hinaus lieferte der Referent Einblicke in die kulturhistorischen Bedingungen der Mathematik jener Zeit sowie deren späterer Rezeption und entwickelte Hypothesen zur Motivation der Quadratrix.

Dem Konzept der kinesis bei Aristoteles galt der Vortrag von Josef Hofmaier (Regensburg). Vor dem Hintergrund der Perspektiven der modernen Physiologie sowie des naturwissenschaftlichen Prinzipienbegriffs skizzierte er verschiedene Problemfelder der aristotelischen kinesis, etwa deren Abgrenzung zu anderen innerhalb der einschlägigen Schriften vorkommenden Begriffen. Eingehend erörtert wurde schließlich der Status der kinesis als physiologisches Prinzip am Beispiel von Nahrungsaufnahme und Verdauung.

Eine anthropologische Lektüre der Charaktere des Theophrast stellte Sergiusz Kazmierski (Regensburg) vor. Hierbei legte er, zum Teil in Abgrenzung zu den poetologischen und politischen Schriften des Aristoteles, Grundzüge einer impliziten Verhaltenslehre des Menschen nach Theophrast dar: Dieser betreibe in seiner Überzeichnung einzelner Charakterzüge, wie für den Fall der Geschwätzigkeit vorgeführt, eine Analyse von Einzelausprägungen der menschlichen Entwicklungen – im Gegensatz zum aristotelischen synthetischen Ansatz des vernunftbegabten Menschen –, was sich mit Grundgedanken der theophrastischen Botanik zur individuellen Samenkeimung in Verbindung setzen lasse.

Thorsten Fögen (Durham, UK) gab einen Einblick in die Geoponika, ein landwirtschaftliches Kompendium aus dem 10. Jh. n. Chr., und widmete sich der Frage nach der Darstellung von Tieren innerhalb des Werks. Der Vortrag arbeitete eine ambivalente Rolle heraus: Einerseits lasse sich eine Utilitarisierung von Tieren feststellen, insofern etwa Vögel als Wetterzeichen oder Rinder als Unterstützung der Landarbeiter adressiert würden, andererseits trete auch ein Bewusstsein für deren Schädlingscharakter hervor. Letzterer Aspekt wurde mit Blick auf Lexik und Semantik des Schädlingsbegriffs vertieft.

Zum Abschluss setzte sich Ingolf Vereno (Staufen) mit der Autorschaft eines Kommentars der alchemistischen Schrift Physika kai mystika Ps.-Demokrits auseinander. Untersucht wurde dabei, ob der als Synesios bezeichnete Kommentator mit dem Neuplatoniker Synesios von Kyrene, der im 5. Jh. n. Chr. als Bischof wirkte, gleichzusetzen sei. Auf Grundlage einer Würdigung kulturgeschichtlicher Bezüge des Kommentars sowie dessen Anspruch einer allegorischen Auslegung der Schrift resümierte der Referent, dass Synesios von Kyrene als Verfasser nicht auszuschließen sei.

Wie gewohnt werden die Beiträge der Tagung in Form eines Sammelbandes beim Wissenschaftlichen Verlag Trier publiziert. Die nächste Tagung des AKAN ist für den 1. Juli 2023 geplant.

1.  J. Althoff – D. De Brasi – S. Föllinger – G. Wöhrle (Hrsg.), Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption XXXII (Trier 2022).

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