Wundersame Tierwesen und wo sie zu finden sind – Drei ungewöhnliche Exponate für die Ausstellung „beZAUBERnde ORTE“

Ein Beitrag von Alexandra Hilgner

Die Objekte aus „Dr. Wolfs Wunderkammer“ und von „Forgotten Creatures“ sollen als figürliche Repräsentanten der thematisierten Naturorte die Besucher*innen „bezaubern“ und in fremde Welten entführen. Ganz bewusst wurden hier moderne Kunstfiguren als Ergänzung zu den archäologischen Objekten gewählt.

Für die Themeninsel „Wälder“ wurde das Einhorn als stellvertretender Bewohner des Zauberwaldes gewählt. Diese künstlerische Umsetzung des bekannten Fabeltiers entstammt dem Projekt Forgotten Creatures und lehnt sich an spätantike Beschreibungen und mittelalterlichen Abbildungen an. Gerade im Physiologus, einer frühchristlichen Naturlehre in griechischer Sprache (2.–4. Jh. n. Chr.), wird es als ziegenartiges Tier mit nur einem langen Horn beschrieben. Unter seinem Horn trägt es den magischen Karfunkelstein. Das täuschend echt wirkende Exponat erzeugt den Eindruck eines Tier-Präparats und soll die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischen. Genauso erleben wir es in den historischen Quellen aus der klassischen Antike und dem Mittelalter aber auch aus dem Alten Orient, die uns von Begegnungen im Zauberwald erzählen. Der Wald wird hier häufig als liminal und transformativ beschrieben: man überschreitet physisch und psychisch eine Grenze und gelangt an einen magischen Ort, an dem Menschen mit Göttern kommunizieren können, aufgrund ihrer Taten zu Helden werden, fantastischen und auch bedrohlichen Kreaturen begegnen, sich verirren und zu sich selbst finden.

Das „Einhorn nach Physiologus“ in der Ausstellung. 

Leihgeber: Forgotten Creatures/Florian Schäfer. Präparat 2021, Polyurethanschaum auf Stahlarmatur, Epoxid, Kunstpelz, Glas – Forgotten Creatures in den Denkräumen für Kulturgeschichte(n), Hann. Münden (Fotos: Alexandra Hilgner). 

Für den Themenbereich „Wasser“ wurde ein ganz besonderes Exponat aus Dr. Wolfs Wunderkammer gewählt: eine Fiji Meerjungfrau. Die Grundlage dieser Darstellung bilden diverse historische Exemplare von „Meerjungfrauen“, die in historischen Kunst- und Wunderkammern ausgestellt wurden, sowie ein im 19. Jahrhundert unter dem Namen "Feejee Meermaid" als "echtes Mischwesen" präsentiertes Objekt. Der Ursprung dieser präparierten Figuren liegt in Japan, wo sie von Fischern zunächst für einheimische Schausammlungen hergestellt, aber auch an europäische Sammler verkauft wurden. Solche Meerjungfrauen symbolisieren, wie auch andere Seeungeheuer und Meerwesen, die große Ambivalenz, die Gewässern und Wasserorten entgegengebracht wird: auf der einen Seite sind sie lebensnotwendig, auf der anderen lebensbedrohend und undurchschaubar.

Fiji Meerjungfrau im Themenbereich „Wasserwelten“

Leihgeber: Dr. Wolf’s Workshop of Wonders. Präparat 2019, Fischbein, Fischhaut, fossile Haifischzähne, menschliche Haare, Glas, Papiermaché, Draht und Gips; Sockel aus Holz, Papier und Messing – Dr. Wolfs Wunderkammer in den Denkräumen für Kulturgeschichte(n), Hann. Münden (Foto: Alexandra Hilgner). 

Für das Themenfeld „Wüsten“ ist von Forgotten Creatures ein Exponat eigens für die Ausstellung angefertigt worden: Florian Schäfer erschuf in enger Kooperation mit dem Ausstellungsteam einen Basilisken, dessen Erscheinungsbild an antike Beschreibungen und mittelalterliche Abbildungen angelehnt ist. Diese künstlerische Umsetzung des antiken Fabeltiers, das aus dem Blut der Gorgonin Medusa im Wüstensand der libyschen Wüste entstanden sein soll, zieht alle Besucher*innen in seinen Bann – ob es an seinem tödlichen Blick liegt? Der Basilisk verdeutlich die Schrecken der Wüste, welche häufig als „Gegenwelt“ zur Zivilisation wahrgenommen wird. Neben den Gefahren durch Hunger und Durst ist die Wüste in vielen Erzählungen mit zahlreichen gefährlichen Tieren, aber auch mit Dämonen und anderen Fabelwesen bevölkert.

Der Basilisk, ein Mischwesen zwischen Schlangendrache und Vogel im Ausstellungsbereich „Wüsten“

Leihgeber: Forgotten Creatures/Florian Schäfer: Präparat, 2022, Körpermodellierung aus Epoxid Knetpaste über geschnitztem, extrudiertem Polystyrol (XPS). Elemente aus Polymerton, Krone aus Messing, Augen aus Glas, Bemalung mit Acrylfarbe, Behaarung mit Wildschweinborsten – Forgotten Creatures in den Denkräumen für Kulturgeschichte(n), Hann. Münden.

Florian Schäfer hat den spannenden Entstehungsprozess dieses ausdruckskräftigen Exponats für uns dokumentiert. Auf YouTube kann man sich das Video dazu ansehen:

„Der Basilisk des Melchior Lorck“- Video der Entstehung des Basilisken von Florian Schäfer von Forgotten Creatures.

Mit dem Projekt „Forgotten Creatures“ hat es sich der gemeinnützige Verein Zeitsprünge e.V. seit 2017 zur Aufgabe gemacht, die Wesen der „niederen Mythologie“ in der heutigen Zeit erlebbar zu machen. Dies geschieht auf innovative Weise: In aufwändiger Handarbeit werden hier Skulpturen geschaffen, deren Äußeres den Beschreibungen aus historischen Schriften entspricht. 

Dr. Wolfs Wunderkammer – Das Museum für Geschichte(n), Kunst & Kurioses in Hann. Münden verbindet wissenschaftliche Themen mit Popkultur, Mythologie und Geschichte(n) aller Art zu einer Mischung aus Museum und Gesamtkunstwerk. Dabei sollen das „Denken mit Dingen“, das forschende Lernen am Unbekannten und die Auseinandersetzung mit dem Außergewöhnlichen und Wunderbaren dazu anregen, selbst kreativ zu werden.

Wir freuen uns darüber, dass diese beiden ungewöhnlichen Partner unsere Ausstellung mit ihren Exponaten bereichern!

Kommentare