Zauber des Wassers – das Wasser in der Ausstellung „BeZAUBERnde ORTE“

Ein Beitrag von Maral Schumann und Jessica Knebel

Wasser ist nicht nur ein lebenswichtiges Element, sondern auch ein mysteriöser Ort. Es ist manchmal ein Fluch und manchmal ein Segen. Wasser kann unter Umständen Heilkräfte haben oder auch zerstörerisch sein. Aufgrund seiner schillernden Oberfläche wurde es auch wiederholt als Medium zu Unbekanntem gesehen. 

Wasser ist ein Element, das über Jahrtausende hinweg und kulturübergreifend für die Auslösung verschiedener und teilweise widersprüchlicher Gefühle der Menschen sorgte. Süßwasser, Salzwasser, Meere, Seen, Flüsse, Bäche oder Brunnen – Wasser ist seit der Antike bis heute mit seinen vielseitigen Eigenschaften ein wertvolles, geheimnisvolles und hin und wieder ein unbesiegbares Element.

Unser GRK plant eine Ausstellung, welche im Sommer 2022 unter dem Titel „BeZAUBERnde ORTE“ eröffnen wird. Wie der Name schon verrät, wird es sich um geheimnisvolle Orte handeln, welche einen Hauch von Zauber und Mysterium mit sich bringen. Wir werden den Besuchern der Ausstellung zeigen, wie die Menschen über Jahrtausende bis heute mit Wasser, Wald und Wüste umgegangen sind, wie sie diese Orte wahrgenommen haben, was sie darüber avisiert haben und welche Artefakte und kulturelles Erbe sie uns hinterlassen haben. Wir werden uns dabei bewusst auf die Zauberhaftigkeit, die mythologischen und fabelhaften Aspekte fokussieren.


Abb. 1: Vater Rhein mit Nibelungenhort in Bonn, ca. 1880.

Der Besucher begegnet drei Stationen im Teil der Wasserwelten, die verschiede Aspekte des Wassers darbieten. Diese Stationen werden kulturelle Zeugnisse vom europäischen Kulturraum über Ägypten bis nach Vorderasien und darüber hinaus, angefangen von der Antike bis heute präsentieren. 

Die ersten fabelhaften und mythischen Wesen aus der Wasserwelt begegnen den Besuchenden bereits in Station I, die, genau wie das Wasser, ambivalent gestaltet sind. In verschiedenen Kulturkreisen werden Meerwesen teilweise als hübsch und teilweise als hässlich beschrieben. Eine Leihgabe aus Dr. Wolfs-Wunderkammer gibt eine moderne Kopie eines schaurigen Meereswesens wieder (Abb. 2). Inspiriert ist diese Darstellung durch die in Japan präparierten Ningyo, die meistens aus den Oberkörpern von Affen bestehen, die mit Krallen, Haizähnen, Haaren oder Schuppen ausgestaltet und auf einen Fischkörper aufgesetzt worden sind. Hingegen verzaubern Meermenschen in mittelalterlichen Handschriften mit ihrer Schönheit. Daneben locken weitere Meeresungeheuer die Besuchenden in die zauberhafte Wasserwelt. In der Mythologie waren Seemonster beliebte Gegner, gegenüber denen sich Helden beweisen mussten. Beispiele aus der griechischen Mythologie sind Sirenen, die halb Mensch halb Vogel oder halb Mensch halb Fisch sind, und Seefahrer mit ihrem Gesang ins Unheil stürzen, oder das Meeresungeheuer Skylla, welches mit dem gestaltlosen Meeresmonster Charybdis in einer Meerenge lebt.

Abb. 2: Leihgabe aus Dr. Wolfs-Wunderkammer.

Verschiedene Wassergottheiten und Verkörperungen von Gewässern werden die Besuchenden in Station II in ihren Bann ziehen. Aus verschiedenen Kulturkreisen wie Mesopotamien, Altes Ägypten und griechischer Antike sollen Fluss- oder Meeresgottheiten sowie entsprechende Personifikationen den Besuchenden nähergebracht werden. Zu den bekannten Vertretern gehören die Meeresgötter Poseidon sowie sein Sohn Triton aus der griechischen Mythologie. Auch der ägyptische Gott Sobek, der als Krokodil oder Mensch mit Krokodilskopf und in einer Sonderform als Krokodil mit Falkenkopf dargestellt werden kann, wird als Herr der Seen, der Sümpfe und der Flussläufe sowie als Inbegriff des Wassers und der Nilflut charakterisiert. Die prominente Rolle von Wasser in Schöpfungsmythen unterstreicht ebenfalls den religiösen Aspekt von Wasser. So herrschte in der Vorstellung der Mesopotamier und der Alten Ägypter vor der Schöpfung ein wässriger und chaotischer Urzustand, aus welchem die physische Welt entstand. Der babylonische Schöpfungsmythos Enuma Eliš setzt den Beginn der Schöpfung mit der Mischung von Salz- und Süßwasser gleich, wobei das Salzwasser für Zerstörung und das unzähmbare Chaos steht. Als Personifikation des unterirdischen Süßwassersozeans/Urmeer gilt Abzu. Der Gott Enki wird als Herrscher des Süßwasserozeans Abzu angesehen und wird häufig mit den Flüssen Euphrat und Tigris dargestellt, die aus seinen Schultern quellen (Abb. 3).

Abb. 3: Siegelabrollung (Replik) mit dem Gott des Süßwassers Enki,
Leihgabe aus der Altorientalistische Lehrsammlung (Sammlung Magen).

Der Fokus von Station III liegt auf der Bedeutung von Wasser und Wasserorten in rituellen Praktiken, insbesondere im Kontext der Heilung. Dieser Aspekt hat eine lange Tradition und findet seine Verwendung weltweit in vielen Religionen und Bräuchen bis heute. Regionale Beispiele sind die Thermalquellen in Wiesbaden, deren heilende Wirkung bereits bei den Römern gepriesen wurde. Noch heute wird zum Beispiel das 25.000 Jahre alte Wasser des Wiesbadener Kochbrunnens aufgrund der heilenden Wirkung in Gläsern abgefüllt und getrunken, um Krankheiten oder Entzündungen zu lindern. Ähnliches lässt sich bereits im Alten Ägypten nachzeichnen. Dies wird anhand sogenannter Horusstelen deutlich. Auf der ägyptischen Stele ist der nackte Kindgott Horus, der triumphierend auf Krokodilen steht und weitere gefährliche Tiere (meistens Schlangen, Skorpione, eine Gazelle und einen Löwen) in den Händen hält (Abb. 4). Die bezwungenen Tiere symbolisieren, dass Horus alle Gefahren überwunden hat. Auf allen Seiten der Stele sind magische Texte eingraviert. Die Texte dienen zum Beispiel dem Schutz des Körpers vor gefährlichen Tieren wie Krokodilen, Skorpionen und Schlangen. Bilder und Texte spielen auf mythologische Themen an, wenn z. B. der Kindgott Horus von Skorpionen verletzt und anschließend von seiner Mutter Isis oder weiteren Gottheiten geheilt wird. Größere Exemplare der Horusstelen wurden in Tempeln aufgestellt und von Priestern mit Wasser übergossen, um die Kraft der Inschriften und Figuren aufzunehmen. Dadurch entstand ein magisch wirksames Heilwasser, welches äußerlich und innerlich angewendet wurde. Kleine Anfertigungen von Horusstelen wurden als Amulette getragen. 

Diese und noch weitere spannende Objekte sowie Medienstationen sollen für die Spannung unserer Ausstellung sorgen und den Besuchern sowohl über den weltweiten als auch über den regionalen Umgang und die Wahrnehmung von Wasser berichten. Die Besucher sollen in einer zum Wasser angepassten Atmosphäre einen Eindruck erhalten, wie die Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen über eine große Zeitspanne dieses Naturelement erblickten und damit umgegangen sind. Dabei haben wir bewusst unseren Fokus auf die Zauberhaftigkeit und den magischen Aspekt des Wassers gelegt, um unseren Gästen eine besondere Begegnung gestatten zu können.


Abb. 4: Horusstele (Abguss), Leihgabe aus der Ägyptologischen Studiensammlung (Sammlung Jungnickel). Foto: IAW - Arbeitsbereich Ägyptologie, JGU.

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