Der Umgang mit dem toten Körper: Bestattungsformen und Todeszeremonien im vor-islamischen Persien – Ein Plenumsvortrag von Maral Schumann

 Ein Beitrag von Sibel Kayan

In der dritten Plenumssitzung des Sommersemesters 2021 gewährte uns Maral Schumann, seit Oktober 2020 Doktorandin in der Vorderasiatischen Archäologie, einen ersten Einblick in ihr Dissertationsprojekt. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit, welche einen interdisziplinären Ansatz verfolgt, steht eine neue Kategorisierung der bislang dokumentierten archäologischen Grab- und Bestattungsfunde der Sasaniden. Mit der Einbeziehung von neuen Kriterien sollen die in der Forschung etablierten und teilweise problematischen Begriffe der ober- und unterirdischen Bestattung umgangen werden, die den mehrteiligen Bestattungsprozess der Sasaniden – bestehend aus beiden Bestattungsformen – nicht berücksichtigen und daher leicht zu Fehlinterpretationen führen können.  

Zu Beginn ihres Vortrages bestimmte Maral Schumann zunächst die geographischen und zeitlichen Grenzen ihrer Arbeit, welche an die Lebensspanne (ca. 224–651 n. Chr.) und den Lebensraum der Sasaniden anlehnen. Letztere umfasste ein Kerngebiet, das sich über ganz Vorder- und Mittelasien erstreckte. Dabei befinde sich die Mehrheit der zu untersuchenden Funde auf der Seidenstraße, was Maral Schumann zufolge u.a. auf die starken Handelsbeziehungen der Sasaniden mit ihren Nachbarländern zurückgeführt werden könne (Abb. 1).

 

Abb. 1: Überblick über die archäologischen Fundorte und ihre Nähe zur Seidenstraße (Hauptroute der Seidenstraße: orange; andere Karawanenstraßen: rot) 

Die Quellen, die Maral Schumann in ihrer Untersuchung berücksichtigen möchte, bestehen aus archäologischen Funden, Schriftquellen sowie bildlichen Darstellungen, weshalb eine Vielzahl von methodischen Herangehensweisen für sie in Frage kommt; darunter etwa die Prototypensemantik, die Semiotik in den Philologien und Bildwissenschaften sowie die Ikonographie. Die Heranziehung verschiedener Quellengattungen begründet Maral Schumann mit ihrem unterschiedlichen Informationsgehalt, welcher nur zusammengenommen die Bestattungsformen und Todeszeremonien der Sasaniden umfassend beleuchten könne.

Wie Maral Schumann betonte, stellte die offizielle Staatsreligion der Sasaniden, welche der Lehre des Zoroastrismus folgte, eine Besonderheit dar, da dieser im Laufe der Zeit unterschiedliche Tradierungen fasste und zu einem sehr variablen Umgang mit dem toten Körper beitrug. Die Sasaniden übernahmen diese von den Achämeniden (ca. 6.–4. Jh. v. Chr.), dem ersten persischen Großreich, in deren Tradition sie standen. Die allgemeinen Bestattungsprinzipien der Zoroastrier sahen ein Ritual bestehend aus mehreren Etappen vor, welches sich an einem bestimmten Kernkonzept orientierte. Dieses basiere auf der Grundaussage, dass ein Leichnam unrein sei und daher nicht mit den (Natur-)Elementen (Feuer, Wasser und Erde) in Berührung kommen dürfe. In der Praxis führte dieser Grundsatz zu einer komplexen Bestattungsform, die zunächst darin bestand, den Leichnam in einem hochgelegenen Ort durch Aasvögel bzw. -tiere entfleischen zu lassen. In einem zweiten Schritt wurden die Knochen der Verstorbenen in verschließbaren und wasserundurchlässigen Behältern beigesetzt, welche ausschließlich für diesen Zweck entweder aus Stein, Lehm (Ton) oder Kalk (Gips) hergestellt wurden (Abb. 2).

 

Abb. 2: Die allgemeinen Bestattungsprinzipien der Zoroastrier.

Es bestand auch die Möglichkeit, den Leichnam bis zur offiziellen Beisetzung im Rahmen einer Körperbestattung in der Erde zwischenzulagern. Der tote Körper wurde in diesem Fall nach Ablauf von sechs Monaten exhumiert und schließlich nach zoroastrischem Vorbild in einer für ihn vorgesehenen Grabstätte bzw. -behälter beigesetzt. 

Dabei entwickelten sich recht früh regionale Besonderheiten und Sonderregelungen für die Bestattung bestimmter Personengruppen (Adelige, Frauen etc.), sodass sich in der archäologischen Überlieferung verschiedene Varianten des zoroastrischen Bestattungsritus‘ nachweisen lassen. Aus diesem Grund unterscheiden sich die (Knochen-)Behälter zumeist in ihrer Größe, Form, Verzierung und ihrem Material (Abb. 3).

Abb. 3: Das Kernkonzept in seinen verschiedenen Varianten.

Diese verschiedenen Merkmale führten in der Forschung zu Widersprüchen, die sich aus der unsachgemäßen Trennung und Kategorisierung der archäologischen Funde ergaben. So wird in der Literatur zwischen ober- und unterirdischen Bestattungen unterschieden, wobei Maral Schumann die Einordnung der zu untersuchenden Funde in drei Gattungen als methodisch sinnvoller erachtet: (1) Körper-/Erdbestattungen, (2) Körperbestattungen (Balsamierung) und anschließende Beisetzung, (3) Aussetzung im Freien (Entfleischung) und anschließende Beisetzung der freigelegten Knochen. Diese neue Kategorisierung schließt an die zeitgenössischen Beschreibungen antiker Autoren zwischen dem 5. Jh. v.Chr.–6. n. Chr. an, welche in unterschiedlichem Umfang von jenen drei Bestattungsformen der persisch-stämmigen Bevölkerung (Achämeniden, Parther, Sasaniden etc.) berichten. 

Weiterhin ist die Kontextualisierung der archäologischen Funde problematisch, da sie in der Literatur entweder als sasanidische Bestattung (Zoroastrische Bestattung) oder als Sasaniden-zeitliche Bestattung klassifiziert werden, wobei letzteres verschiedene religiöse Bestattungen (christlich, jüdisch, etc.) einschließt (Abb. 4). Um die Arbeit inhaltlich einzugrenzen, möchte sich Maral Schumann im Rahmen dieser Begrifflichkeiten den zoroastrischen Bestattungen in sasanidischer Zeit zuwenden.  

 

Abb. 4: Zur Forschungsproblematik in der Bezeichnung der archäologischen Funde.

Nach einem kurzen Ausblick auf die nächsten Untersuchungsschritte und Zielsetzung der Arbeit von Maral Schumann, welche zum einen darin besteht, die Todeszeremonien und -rituale der Sasaniden zu rekonstruieren, und zum anderen, die bisher in der Forschung unklar gebliebenen Funde neu zu beleuchten, folgte dem Vortrag eine lebhafte Diskussion mit vielen Fragen und Anregungen.  



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