Vorstellung des Dissertationsprojekts von Nicky van de Beek „A Tomb with view. Representations of landscape in ancient Egyptian tombs from the old to the New Kingdom (ca. 2700–1050 BCE)“

 Ein Beitrag von Maral Schumann.

In der Plenumssitzung des GRK 1876 am 29.04.2021 präsentierte Nicky van de Beek ihr Promotionsprojekt „A Tomb with view. Representations of landscape in ancient Egyptian tombs from the old to the New Kingdom (ca. 2700–1050 BCE)”. Sie begann mit einer Definition für Landschaft unter Berücksichtigung der sichtbaren Merkmale eines Geländes, geophysikalischer Landformen, aber auch menschliche Konstruktionen, Flächennutzung bzw. natürliche Gegebenheiten mit kulturellen Prägungen sowie Unterschiede zwischen der damaligen und der heutigen Landschaft in Ägypten. Deiche, die von saisonal überschwemmten Auen gesäumt sind, veränderliche Landschaft wie jährliche Überschwemmung, neu vermessene Felder, veränderter Verlauf des Nils, Gründung neuer Städte, Geomorphologie, Städte und Dörfer auf Dämmen und ehemaligen Kanälen, wiederholendes Umstrukturieren und Anpassung der Bewässerungslandschaft, sind die Aspekte, die man bei der Betrachtung der damaligen ägyptischen Landschaft in Betracht ziehen soll.

Ab. 1: Ober- und Unterägypten in Texten

Nicky hat die Semantik, die den philologischen Aspekt betrifft, anhand von Beispielen wie dem Wort „Land“ bzw. „Black land (km.t)“ für das Land Ägypten und „Red land (dšr.t)“ für Wüste oder fremdes Land gedeutet. Zudem wurde innerhalb Ägyptens zwischen Ober- und Unterägypten unterschieden (Abb.1).

Klima und Klimaschwankungen in Ägypten wurden ebenfalls thematisiert und welche Einflüsse diese auf den Nilstand und die damit verbundenen Überschwemmungen oder Dürren hatten. Diese beschränkten oder beförderten den landwirtschaftlichen Kreislauf. Auch Tierarten wie Nilpferde, Krokodile, Addax, Oryx, Mendesantilopen oder Kuhantilopen, die teilweise bereits ausgestorben sind, werden als Teil der Landschaft betrachtet.

Ziel des Projekts von Nicky van de Beek ist die Beantwortung folgender Fragen: 

Wie sah die eigentliche Landschaft aus (geoarchäologisch, zooarchäologisch, archäobotanisch)? 

Wie wurde die Landschaft in Grabszenen dargestellt? 

Was sind die konzeptionellen Kategorien hinter diesen Darstellungen?

Für ihre Untersuchung verwendet sie hauptsächlich archäologische Quellen bzw. Grabdarstellungen. Neben einigen fragmentarisch erhaltenen Quelle, die auf Landschaftsdarstellungen hinweisen, gibt es auch zahlreiche vollständig erhaltene Grabszenen. Diese Grabszenen stellen Landschaften mit den dazugehörigen Elementen dar: Sie zeigen einerseits Flora und Fauna, anderseits präsentieren sie Aktivitäten, die in diesen Landschaften stattfanden, wie u. a. die Nilpferd-Jagd, Fischen mit dem Netz und Viehtransport (Abb. 2).  

Ab. 2: Beispiel für eine Grabszene mit Landschaftsaktivitäten.

Nicky van de Beek möchte neben solchen Grabszenen auch andere Quellen wie autobiografische Texte, Modelle und Stelen, die in Zusammenhang mit Landschaft stehen, analysieren. 

Um Kategorien zu definieren und Konzepte zu entwickeln, verwendet sie sowohl die Prototypen-Theorie als auch Semantik als Methode. 

Die häufig vorkommenden Kombinationen von Text und bildlichen Darstellungen unterstützen eine genauere Klassifizierung und Kategorisierung von Landschaftselementen bzw. Flora und Fauna. Wie vielfältig solche Darstellungen sein können, zeigte Nicky anhand von Beispielen von unterschiedlichen Kultivierungsgraden in verschiedenen Landschaftsdarstellungen. Die Landschaftsdarstellungen können eine wilde Jagd in der Wüste zeigen, aber auch ästhetisch eingerichtete Gärten (Abb.3).

Ab.3: Eine wilde Jagd in der Wüste (links), ein ästhetisch eingerichteter Garten (rechts).

Der Rolle der Grabbesitzer in Landschaftsdarstellungen in ägyptischen Gräbern sollte besondere Berücksichtigung finden. Jene wurden aktiv oder passiv dargestellt. In manchen Szenen sind sie sogar abwesend. Der Grabbesitzer in aktiver Rolle nimmt an Aktivitäten wie Jagd oder Fischfang teil, und sein Name ist in dem Textteil erwähnt. Bei passiv dargestellten Grabbesitzern oder bei im Bild abwesenden Grabbesitzern werden die Namen und sogar deren Mitbeteiligung an den Aktivitäten, die in solchen Landschaften stattfanden, erwähnt.

Unsere Kollegin Nicky van de Beek wird die Szenen mit verschiedenen Landschaftselementen in einer Datenbank erfassen. Es wird der Zusammenhang zwischen Bildern und Texten aufgezeichnet und mit Hilfe von zeitlicher und räumlicher Kartierung der Szenen sowie terminologischen Untersuchungen ein entsprechendes Netzwerk erstellt (Abb. 4). 

Ab.4: Idee eines semantischen Netzwerks

Als Beispiel hat sie das Wort „Marshland“ ausgewählt und von frühdynastischer Zeit bis zum neuen Reich konnte sie vier verschiedene Wörter bzw. Hieroglyphen dafür finden. Daneben dokumentierte sie auch unterschiedlich dargestellte Sumpfgebiete, die sich in Zeit und Region variieren.

Die Datenbank könnte auch als eine Art Enzyklopädie fungieren und könnte eventuell bei einer detaillierten und genaueren Identifizierung der verschiedenen Landschaftselemente,  z. B. unterschiedlicher Fischarten oder Vogelarten, helfen. Neben der Vielfalt der Flora und Fauna lassen sich aus solchen Landschaftsdarstellungen in Zusammenhang mit Texten weitere Informationen gewinnen, etwa über verschiedene Sport- und Freizeitaktivitäten, statussymbolische Funktion der Landschaftselemente, religiöse Funktion und Aktivitäten in diesem Zusammenhang, wirtschaftliches und soziales Interesse der Bevölkerung durch die Zeit und in verschiedenen ägyptischen Siedlungen und Gruppen.

Die Sitzung wurde mit einer lebhaften Diskussion über Interaktionen zwischen Menschen und Landschaft, die Verbindung zwischen unterschiedlichen Terminologien und näherer Bestimmung von Landschaftselementen sowie Funktion solcher Grabszenen beendet. 

 

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