Zugang zur gebauten Umwelt. Raumwahrnehmung und Bauwerkserschließung am frühneolithischen Göbekli Tepe. Plenumsvortrag von Benny Waszk

Ein Beitrag von Judit Garzón Rodríguez.

 

Am 10. Dezember 2020 hielt Benny Waszk (Doktorand des Graduiertenkollegs im Fachgebiet Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie) in der Plenumssitzung einen Vortrag unter dem Titel „Zugang zur gebauten Umwelt. Raumwahrnehmung und Bauwerkserschließung am frühneolithischen Göbekli Tepe“. Der Vortrag gab eine Einführung in das Promotionsthema unseres Kollegen, der uns nicht nur verschiedene architektonische Beispiele aus dem Zeitintervall vom Epipaläolithikum bis zum Anfang des präkeramischen Frühneolithikums vorstellte, insbesondere den Fall des Göbekli Tepe, sondern auch grundsätzliche Überlegungen zum Studium architektonischer Konstruktionen in Bezug auf die sie einschließende Umgebung vorstellte.

Nach einer Einführung in den groben Rahmen des Untersuchungsgebietes, bei der Benny verschiedene epipaläolitische Sondergebäude vorstellte, deren Funktion multifunktional sein kann, richtete er den Fokus auf die T-Pfeiler-Gruppe. Zu dieser Gruppe gehört die Fallstudie des Göbekli Tepe, ein prähistorischer Fundort (datiert in das präkeramische Neolithikum) im Südosten der Türkei nahe der syrischen Grenze. Dieser Fundort befindet sich auf einem Hügel (Tell) und besteht aus mehreren Arealen, bisher ist er jedoch noch nicht vollständig ausgegraben worden. Für Bennys Projekt besonders interessant sind die dortigen T-förmigen Stelen aus Kalkstein, die in einer anthropomorphen Form angefertigt wurden, aber auch Tierdarstellungen aufweisen. Diese Stelen sind Teil eines architektonischen Baukomplexes in den ältesten Schichten des Fundplatzes, der als Sonderarchitektur bekannt ist und kreisförmig um ein weiteres zentrales Pfeilerpaar errichtet wurde (Abb. 1).

 

 

Abb. 1. Folie aus der Präsentation von Benny Waszk mit Beispielen der T-Pfeiler im Fundort Göbekli Tepe. Bildnachweis: Benny Waszk.

Die Interpretation dieser mit Tierreliefs verzierten Stelen, die manchmal mit männlichen Geschlechtsmerkmalen dargestellt sind, ist seit Jahren Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Im Rahmen seines Promotionsprojekts untersucht Benny die Anlagen im Hinblick auf die Inszenierung von Mensch- und Tierdarstellungen. Dabei verwendet er verschiedene Methoden (Architektursoziologie, Ritualarchäologie, Ethnographischer Vergleich, Semiotik, Typologie/Kategorisierung, Kartierung) und Quellen (Archäozoologische Reste, Baubefunde, 256 Türlochsteine, ausgewählte Kleinplastik, Abb. 2), die es ihm erlauben, sich der Fallstudie aus unterschiedlichen Perspektiven zu nähern. Auch werden von ihm erstellte SfM-Modelle verwendet, die sowohl eine Rekontextualisierung der Objekte, als auch eine Rekonstruktion in Kombination mit dem Fundmaterial ermöglichen. Eine Besonderheit dieser Modelle ist, dass sie zusammen mit einer bestimmten Software eine Simulation mit Licht und Schatten erlauben und somit eine Annäherung an den performativen Aspekt der Bauwerke ermöglichen (Abb. 3).

 

 

Abb. 2, Folie aus der Präsentation von Benny Waszk mit Beispielen des Fundmaterials aus Göbekli Tepe. Bildnachweis: Benny Waszk.

Diese Sonderarchitektur stellt eine Herausforderung dar, was das Tier-Mensch-Konzept betrifft, da es keine schriftliche Quelle gibt, die über die Symbolik der Darstellungen und der Bedeutung der Lage der jeweiligen Komposition informiert. Daher könnte eine gründlichere Untersuchung mehr Informationen über die soziale Bedeutung des Raumes liefern. Das Hauptziel dieses Dissertationsprojektes ist es, das Innere der Sondergebäude auf ihre räumliche Wahrnehmung hin zu untersuchen (welche Konstruktion zuerst gesehen wurde und welche als narrative Ordnung folgte) und das Bildprogramm entsprechend zu kontextualisieren. Auf diese Weise dienen die Steine als Eingang und Startpunkt für die Erzählungsrekonstruktion.

 

 

Abb. 3, Lichtmodell der Anlage C des Göbekli Tepe. Bildnachweis: Benny Waszk.

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