“Changes in vegetal culture in Graeco-Roman and late antique Egypt. Aromatic and ornamental plants.” Plenumsvortrag von Riccardo Andreozzi.

Ein Beitrag von Francisco José Gómez Blanco.

Das Wintersemester 2020/21 wird weiterhin in virtueller Form fortgeführt. Dies ermöglichte, trotz corona-bedingter Einschränkungen, die Verbindung zu Riccardo Andreozzi von der Universität Pisa, der seit Oktober 2019 assoziierter Doktorand der Ägyptologie am Graduiertenkolleg 1876 ist. In seinem Vortrag gab uns Riccardo einen Einblick in sein Forschungsprojekt „Veränderungen in der pflanzlichen Kultur Ägyptens während der griechisch-römischen Zeit und der Spätantike“ mit besonderem Schwerpunkt auf Gewürz- und Zierpflanzen (Abb. 1).

 

Abb. 1. Titelblatt zu Riccardos Vortrag

 

Riccardos Projekt zu Verständnis und Bedeutung der pflanzlichen Kultur geht der Frage nach, ob sich mit Blick auf die Verwendung gewisser Pflanzenarten in der griechischen-römischen Zeit und in der Spätantike in Ägypten größere, kulturelle Veränderungen feststellen lassen. Ausgangspunkt seiner Arbeit ist die geographische Ausbreitung des Menschen in neue Gebiete bzw. der menschliche Austausch zwischen Orten (aus unterschiedlichen Gründen wie Eroberung, Wanderung, Handel, usw.), was zur Entwicklung und gegebenenfalls Veränderung der pflanzlichen Kultur eines Ortes führt. So werden etwa einheimische Pflanzen trotz politischer und gesellschaftlicher Veränderungen weiterverwendet, oder aber dieselben Pflanzen finden neue Anwendungen (z. B. im kultischen Kontext), zudem werden einheimische Pflanzen exportiert und neue Pflanzenarten importiert. Dies alles wird vor dem Hintergrund der ‚globalisierten‘ Welt der griechisch-römischen Antike betrachtet.

Zunächst nimmt Riccardo eine Auswahl der verfügbaren archäologischen Funde vor, indem eine Unterscheidung zwischen einheimischen und fremden Pflanzen getroffen wird, welche darauffolgend mit Bezug auf die typischen Pflanzenarten des griechisch-römischen Ägyptens weiter verfeinert wird. Seine Funde stammen aus verschiedenen Quellen: Da er sich in seiner Arbeit hauptsächlich mit archäobotanischem Fundmaterial auseinandersetzt, berücksichtigt er archäobotanische Sammlungen unterschiedlicher Museen, wie dem Petri Museum in London, dem Rijksmuseum van Oudheden in Leiden oder dem botanischen Museum Dahlem in Berlin, aber auch archäologische Ausgrabungen in Ägypten, die teilweise noch in der Durchführung sind, wie in Douch, Amheida und Nord-Saqqara. Zusätzlich zum archäobotanischen Material betrachtet er auch schriftliche Quellen: demotische und koptische Texte sowie griechische Papyri und Ostraka. Aus all diesen Quellen konnte Riccardo eine Liste von ca. 40 Pflanzenarten anfertigen, von denen er acht auswählt, die den Kern seiner Forschung darstellen und unter anderem Pflanzen umfassen, die uns bis heute bekannt sind und in unseren Gewürzregalen stehen könnten: u. a. Myrte, Lorbeer, Oregano und Rosmarin. Riccardo konnte vier unterschiedliche Verwendungskontexte herausarbeiten: als Lebensmittel, Medizin, Gartenkultur oder Bestattungsrituale – eine Verwendung, die sich am häufigsten finden lässt.

 

Abb. 2. Riccardo berichtet über die Myrten-Buketts.

 

Letzteren Verwendungskontext pflanzlicher Funde erläutert Riccardo am Beispiel der Myrte. Die Myrte (Myrtus communis L.) ist ein immergrüner Strauch, der bis zu fünf Meter Höhe erreichen kann, mit radiärsymmetrischen weißen Blüten und dunkelblauen Beerenfrüchten, die sich heute noch im mediterranen Bereich und im Osten bis Pakistan finden lässt. 1914 dokumentierte Petrie im Rahmen der Ausgrabungen am ‚Krokodilfriedhof‘ (2. Jh. n. Chr.) in Illahun zahlreiche pflanzliche Funde, die Krokodilmumien beigelegt worden waren. Dazu gehörten Anhäufungen zusammengebundener Myrtenblätter (Buketts, Abb. 2), aber auch anderer Pflanzen wie der Olivenbaum (Olea europea L.). Ähnliche Funde ergaben sich in Gräbern ptolemäischer und römischer Zeit in Hawara und Douch, ebenso in Gräbern aus dem 3. und 4. Jh. n. Chr. in Kellis, diesmal mit Rosmarin (Rosmarinus officinalis L.). Koptische Bestattungen aus Saqqara (4.-5. Jh. n. Chr.) zeigten in ähnlicher Weise gebundene Myrtenbuketts, die zusammen mit Weidenblättern (Salix sp.) und anderen Gräsern in den Gräbern beigesetzt wurden. Auch wenn die Morphologie der Myrtenblätter keine Variation aufweist, erlaubt die Verbreitung dieser Funde innerhalb Ägyptens von ptolemäischer Zeit bis in die christlichen Spätantike interessante Aussagen zur kulturellen Bedeutung und Entwicklung dieser Pflanze. Es kann beobachtet werden, dass die Myrte in der ptolemäischen Zeit in Ägypten vor allem im niederen Niltal verwendet wurde, ab dem 3. Jh. n. Chr. jedoch auch weiter nördlich. Bemerkenswert sind die Funde an den Oasen bei Kellis, Amheida und Douch, was möglicherweise mit einem systematischen Anbau der Myrte zusammenhängen könnte (Abb. 3). Zudem zeigt die Analyse antiker Sprachen und Schriften, dass es keinen Hinweis auf ein Wort in altägyptischer Sprache für die Myrte gibt, sondern zuerst in altgriechischer Sprache (μύρτος), was wiederum der Bedeutung dieser Pflanze in der griechischen Antike zuzuordnen ist und mit der griechischen Ansiedlung Ägyptens ihre Ausbreitung fand. Zu den frühesten schriftlichen Erwähnungen der Myrte gehören ebenso griechische Papyri, die die Verwendung der Pflanze als Heil- und Lebensmittel beweisen. Spätere Schriften, z. B. aus koptischer Zeit, weisen der Myrte eine medizinische, magische Funktion zu.
 
 
 
Abb. 3. Geographische und zeitliche Verteilung von Myrtenbukettsfunden des Niltals entlang.

 

Die Projektvorstellung von Riccardo führte zu einer anregenden Diskussion, die sich u.a. seine methodische Herangehensweise, die Kriterien zum Unterschied zwischen einheimischen und exotischen Pflanzenarten und die Bezeichnung von neuen Pflanzenarten durch Lehnwörter oder neuentstandene Begriffe befasste. Riccardos Arbeit zeigt demnach, wie aussagekräftig Pflanzen sein können, um antike Kulturen besser zu verstehen. Wir sind sehr gespannt, zu welchen weiteren Ergebnissen seine Forschung führen wird.

 

Literaturhinweise:

Barakat and Baum 1992. - Douch II. La végétation antique de Douch (oasis de Kharga): une approche macrobotanique. Documents de fouilles de l’Institut français d’archéologie orientale 27; Douch 2. Le Caire: Institut français d'archéologie orientale.

Hepper F. N. in Martin 1981. – Plant material. In Martin, Geoffrey Thorndike, The sacred animal necropolis at North Saqqâra: the southern dependencies of the main temple complex, 146-151. London: Egypt Exploration Society.

Quibell J. E.1907. – Excavations at Saqqara (1905-1906). Le Caire: Institut français d'archéologie orientale. At head of title: Service des antiquités de l'Égypte.

Smith W. 2003. – Archaeobotanical investigations of agriculture at late antique Kom el-Nana (Tell el-Amarna). Egypt Exploration Society, Excavation Memoir 70. London: Egypt Exploration Society.

Thanheiser U. 2002 – Roman agriculture and gardening in Egypt as seen from Kellis. In Hope, Colin A. and Gillian E. Bowen (eds), Dakhleh Oasis Project: preliminary reports on the 1994-1995 to 1998-1999 field seasons, 299-310. Oxford; Oakville: Oxbow.

Thanheiser U. and Walter J. 2015. – Plant use in a Romano-Egyptian household in the Third Century CE. In Boozer, Anna Lucille, A late Romano-Egyptian house in the Dakhla Oasis: Amheida House B2, 375-392. New York: New York University Press; Institute for the Study of the Ancient World.

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