Die Arena zu Hause. Konzepte von Körper und Gewalt in Mosaikdarstellungen von Amphitheater-Veranstaltungen der römischen Kaiserzeit Plenumsvortrag von Francisco Gómez.

Ein Beitrag von Christoph Appel.

In unserer nunmehr dritten virtuellen Plenumssitzung führte uns Francisco Gómez, seit Oktober 2019 Doktorand am GRK, in die Bilder- und Textwelten des römischen Amphitheaters. Im Mittelpunkt seines Promotionsprojekts im Fach Klassische Archäologie stehen Konzepte von Körper und Gewalt, wie sie in kaiserzeitlichen Mosaiken von Amphitheater-Vorstellungen aus dem römischen Reich sowie in zeitgenössischen literarischen Quellen rekonstruiert werden können.

Zu Beginn seines Vortrages gab Francisco zunächst eine Einführung zu Quellenmaterial und Methodik. Sein Ansatz geht von einem umfassenden antiken Gewaltdiskurs aus, der zwar an den Raum des Amphitheaters alltagsweltlich rückgebunden ist, in Text und Bild jedoch medial rezipiert und geformt wird. Beide Medientypen sollen dabei als Inszenatoren und Träger einer narrativ vermittelten Gewalt u.a. mit Methoden der historischen Narratologie und Diskursanalyse untersucht und bewertet werden. Vor diesem Hintergrund zeigte ein Überblick über die einschlägige Forschung, dass Fragen nach der Inszenierung von Gewalt und der Rolle des Publikums im Amphitheater sowie der Rezipienten medial vermittelter Gewaltdarstellungen erst in jüngster Zeit stärkere Beachtung erfahren haben (siehe u. a. Hopkins 1983; Coleman 1990; Fagan 2011).

Während bereits zu Zeiten der späten Republik (Cicero) und frühen Kaiserzeit (Seneca, Petron, Martial) Textzeugnisse zu Veranstaltungen im Amphitheater fassbar sind, lässt sich erst seit dem 2. Jh. n. Chr. ein verstärktes Auftreten von Gladiatorenspielen (munera) und Tierhatzen (venationes), aber auch Hinrichtungen als Sujet römischer Mosaike beobachten. Exemplarisch arbeitete Francisco hier die transmedial wiederkehrende Bedeutung des Körpers als Reflexions- und Kontrollmedium von Gewalt im Amphitheater heraus. Anhand erster Erhebungen konnte er zudem zeigen, dass bestimmte Handlungssegmente des Gladiatorenkampfes, etwa der ausgeglichene Kampf zwischen den Kontrahenten oder der Moment des Todes, in vielen Darstellungen wiederkehren (Abb. 1). Auch auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dargebotener Szenerie und der geographischen Lage der Fundstätten deutete er hin.



Abb. 1. Siegreicher secutor und kniender retiarius.
Augst, ca. 200 n. Chr. Bild: Schmid 1993, Taf. 5, 3.


Im zweiten Teil seines Vortrages führte Francisco dem Auditorium schließlich, ganz dem Projekttitel, Die Arena zu Hause, folgend, mögliche Wirkungsweisen eines der von ihm untersuchten Mosaike in seinem räumlichen Kontext vor Augen. Anhand des berühmten Gladiatorenmosaiks der römischen Palastvilla in Bad Kreuznach (Abb. 2), das seinerseits aus 13 Bildelementen besteht, simulierte er mögliche Wahrnehmungs- und Rezeptionsmodi eines zum Mahl geladenen Gastes. Dabei spielte weniger die statische Betrachtung als vielmehr die dynamische Wahrnehmung, die dieser während des Gangs, Aufenthalts und Verlassens des beheizbaren Speisezimmers (triclinium) einnehmen konnte, eine Rolle. Deutlich wurde hier besonders, dass die Gesamtkomposition des Mosaiks den Betrachter zu einer narrativ sequenzierten Rezeption aktiviert und ihn auf diese Weise gleichsam zum Arenabesucher werden lässt.


Abb. 2. Gladiatorenmosaik aus der römischen Villa in Bad Kreuznach.
240 n. Chr. Bild: Hornung 2008, Abb. 11.


Zum Abschluss ging Francisco auf einen bisher unbeachteten Aspekt der Quellen ein: die Bedeutung von Gladiatorinnen in einem fast ausschließlich von männlichen Autoren, bildenden Künstlern sowie Auftraggebern geprägten medialen Umfeld. Zwar ist die Teilnahme von Frauen an Amphitheater-Kämpfen in einigen literarischen Quellen bezeugt ist (u.a. Suet. Dom. 4,1; Cass. Dio 76,16,1) – wobei die Autoren den Gladiatorinnen oftmals abwertend gegenüberstehen –, es finden sich jedoch vergleichsweise wenige bildliche Darstellungen, wie etwa auf einem Relief aus Halikarnassos (2. Jh. n. Chr., Abb. 3). Gut ließ sich hieran erkennen, dass die Frage nach antiken Gewalt- und Körperdiskursen eng mit der Konstruktion zeitgenössischer Geschlechterbilder verknüpft ist.


Abb. 3. Relief der Gladiatorinnen Amazon und Achillia.
Trustees of the British Museum.


An Franciscos Vortrag schlossen sich engagierte Fragen und Diskussionsbeiträge des Publikums an. Da die Themenkomplexe Körper und Gewalt in einer ganzen Reihe von Projekten des GRK eine zentrale Rolle spielen, bestehen hier zweifelsohne zahlreiche Vernetzungsmöglichkeiten über die einzelnen Fächergrenzen hinweg.


Literaturhinweise:

    Kathleen M. Coleman, Fatal Charades: Roman Executions Staged as Mythological     Enactments. The Journal of Roman Studies, vol. 80. 1990, 44–73.
    Garret G. Fagan, The Lure of the Arena. Social Psychology and the Crowd at the Roman Games. Cambridge, 2011.
    Keith Hopkins, Death and Renewal.Sociological Studies in Roman History. Cambridge, 1983.
    Sabine Hornung, Luxus auf dem Lande. Die römische Palastvilla von Bad Kreuznach. Bad Kreuznach, 2008.
    Debora Schmid, Die römischen Mosaike aus Augst und Kaiseraugst. Forschungen in Augst 17. Augst, 1993.


Kommentare