Ringvorlesung – Lebendig oder tot, gesund oder krank? Der menschliche Körper in vormodernen Kulturen

 Ein Beitrag von Judit Garzón und Jessica Knebel.


Wie unterscheidet sich ein gesunder von einem kranken Körper? Welche Eigenschaften zeichnen einen kranken Körper und welche einen gesunden Körper aus? Welche Merkmale kennzeichnen einen lebendigen Körper und welche einen toten Körper? Dies waren die zentralen Fragestellungen der interdisziplinären Ringvorlesung „Lebendig oder tot, gesund oder krank? Der menschliche Körper in vormodernen Kulturen“, die das Graduiertenkolleg 1876 im Wintersemester 2019/2020 ausrichtete (Abb. 1).


Abb. 1: Flyer der Ringvorlesung.


Nach der allgemeinen Einführung in die Thematik der Ringvorlesung durch Prof. Dr. Jochen Althoff (Mainz) eröffnete Prof. Dr. Detlef Gronenborn (Mainz) die Reihe mit seinem Vortrag „Zwischen Jericho und Carnac. Der menschliche Körper in den frühen Kulturen des Neolithikums“. Gronenborn begann seine Ausführungen mit den Konsequenzen der Agrikultur auf eine (soziale) Gruppe sowie die Bevölkerungsmischung und einen Bevölkerungsaustausches innerhalb einer Kultur. Die ersten Körpertheorien entstanden somit nach dem Ende der Eiszeit, als der Körper sich vom Symbol sozialer Eingliederung während der Linienbandkeramischen Kultur (von etwa 5.700 bis 4.900 v. Chr.) zum Symbol von Reichtum und Macht entwickelte. Die Sozialbindung des Einzelnen war so wichtig, dass der Körper als Plakat dieser Sozialangehörigkeit diente. Das Verständnis des menschlichen Körpers veränderte sich in der Michelsberger Kultur (ungefähr 4.400 bis 3.500 v. Chr.) dahingehend, dass der menschliche Körper je nach sozialer Stellung unterschiedlich behandelt wurde. Dies kann anhand der Bestattungen und Grabbeigaben bestätigt werden.

Prof. Dr. Paul Pettitt (Durham) wandte sich der Behandlung von verstorbenen Körpern im Paläolithikum mit dem Vortrag „Bodies as Symbols. The long-term evolution of primate mortuary activity from chemistry to culture” zu. Zunächst geht er auf die Unterschiede zwischen „mortuary“ und „funerary behaviour“ ein. „Mortuary behaviour“ umschließt Aktivitäten, die mit dem Tod und der Behandlung des Leichnams zusammenhängen. „Funerary activities“ sind spezifischere Behandlungen, die den Leichnam und das Gedenken an den Verstorbenen betreffen. Je größer und komplexer die Gruppen wurden, desto mehr Zeit verbrachten sie mit dem toten Körper, der als Folge mehr Behandlungen erhielt. So sind am Ende des Pleistozäns „echte“ Nekropolen entstanden. Unterschiedliche emotionale und kulturelle Reaktionen auf den Tod beeinflussten die Behandlung des verstorbenen Körpers, die sich in vier Evolutionsphasen einteilen lässt: Der tote Körper wurde zunächst vom Bereich der Lebenden getrennt, ehe Angst, Wut und Trauer als emotionale Phase folgen. Die nächsten Phasen beinhalteten die Landschaftsnutzung als Rationalisierung und die Entwicklung von Strategien gegen den Tod als Kulturalisierung. Die Behandlungen, die ein Körper erhielt, hingen ebenfalls von der Art des Todes ab, den die Person erlitten hatte. Der Tod wurde nicht als etwas Schlechtes angesehen, sondern als normales Ereignis, sodass keine individuellen Begräbnisse vorgenommen wurden. Unerwartete Todesfälle oder der Tod junger Menschen hingegen galten als Ausnahme, in diesen Fällen wurden spezielle Bestattungen vollzogen wie die Bestattung eines Kindes in Taramsa oder die Bestattung dreier Individuen, darunter auch eine Frau mit einem Fötus, in Dolní Věstonice (Tschechien) zeigen.

Der menschliche Körper im antiken Mesopotamien wurde von Dr. Ulrike Steinert (Mainz) behandelt. Anhand unterschiedlicher Quellen – sowohl textuelle (medizinische Texte, Omentexte, lexikalische Listen, literarische Texte, historische Texte oder Dokumente des täglichen Lebens) als auch nicht textuelle Quellen (Paläopathologie, bildliche und materielle Quellen) – präsentierte Steinert die verschiedenen dokumentierten Körperkonzepte wie medizinischer Körper, sentimentaler Körper, geschlechtsspezifischer Körper, Tod und Leichnam oder Körper und personale Identität. Der Körper wurde als komplexe Einheit aus multiplen Bestandteilen verstanden, wobei die Körperteile häufig ein synthetisches Bedeutungsspektrum besitzen (z. B. Ohr für Hören, Weisheit und Wissen; Kehle/Hals für Lebenskraft und Atem). Kennzeichnend für den lebenden Körper sei der Lebensatem, der von den Göttern verliehen wurde, während der Tod den Verlust der Lebenskraft und die Auflösung des physischen Körpers bedeute. In ihrem Vortrag stellte Steinert ebenfalls verschiedene Konzepte des kranken Körpers vor, etwa der Körper als Landschaft und Krankheit als Akteur, die den Einzelnen „überfällt“ und ihn „packt“ oder Krankheit als Dysfunktion, als irregulären, anomalen Vorgang im Körper. Präsent ist der Verstorbene im Grab und in den Knochen (= beinhalten die Essenz einer Person), in Statuen und Figurinen (fungieren als Ersatzkörper), sowie in seinem Totengeist, der als Wind gedacht wurde. Das Grab und der Leichnam sollten ungestört bleiben, um die Ruhe des Totengeists in der Unterwelt zu gewährleisten.

Prof. Dr. Tanja Pommerening (Mainz) stellte Körperkonzepte und -ideale im Alten Ägypten in ihrem Vortrag „Mögest du 110 Jahre auf der Erde vollenden, indem dein Körper stark ist“ vor (Abb. 2). Sie eruierte verschiedene Körperkonzepte, wie der Körper als Hülle, der Körper als Person, der transformierbare Körper oder der Körper als Zusammenschluss von Gliedern, wobei dem Herz eine zentrale Funktion zukommt. Gesundheit wurde im Alten Ägypten als Abwesenheit von Krankheit, Alter und Übel konzeptualisiert. Eine konkrete ägyptische Beschreibung, was einen gesunden Körper ausmacht, ist in den Quellen bisher jedoch nicht dokumentiert. Jedoch wird in den Quellen beschrieben, was einen kranken Körper ausmacht. Daraus kann abgeleitet werden, dass ein gesunder Körper etwa keine Wunden hat, nicht schwach ist, unversehrte Glieder hat, keine lockeren Zähne hat und kein Ungeziefer im Haus hat. Gesund zu sein sei in der Sozialsphäre zu Lebzeiten eines Individuums, aber auch nach dem Tod, von zentraler Bedeutung. Der Wunsch nach Gesundheit und Wohlergehen war deswegen nicht nur unter der normalen Bevölkerung sehr stark, sondern auch im königlichen Bereich. Denn kein Individuum war von der Krankheit befreit, unabhängig davon, ob man einen höheren Status genießt. Sogar die Götter konnten erkranken. 

Abb. 2: Prof. Dr. Tanja Pommerening stellt ihre Arbeit vor. (Foto: Jessica Knebel)


In seinem Vortrag „,Nach unserer Lehre wird allein die vernünftige Seele geehrt'. Der Körper in der antiken christlichen Anthropologie“ umschrieb Prof. Dr. Ulrich Volp (Mainz) den menschlichen Körper in der antiken christlichen Anthropologie anhand literarischer Quellen wie Laktanz, Ambrosius oder Julian. Der Körper sollte Tugendhaftigkeit und Wohltätigkeit ermöglichen, wodurch Unsterblichkeit gewährleistet wurde. Diese Unsterblichkeit könne nur Gott gewähren. Ambrosius schrieb beispielsweise, dass seit dem Sündenfall eine Trennung von Seele und Körper erfolge. Die Seele wurde von Gott gemalt und beinhalte Tugend, Vernunft und Frömmigkeit. Des Weiteren wies Volp darauf hin, dass die christliche Kunst im Unterschied zu Darstellung aus byzantinischer Zeit, auch im Heilungskontext, stets idealisierte Körper zeige.

PD Dr. Annemarie Ambühl (Mainz) setzte sich in dem Vortrag „Kämpfende und verwundete, sterbende und gefallene Körper (Abb. 3). Der Krieg als Prüfstein für Körperkonzepte in der griechischen und römischen Antike“ mit Körperkonzepten im Kriegskontext auseinander. In einer Einführung stellte Ambühl Text- und Bildquellen vor, die den Körper im Rahmen des Krieges erwähnen und zeigen. Die ausgewählten Textbeispiele ihres Vortrags stammen aus Lucans Bellum civile (um 60–65 n. Chr.). Anhand des Epos lassen sich Vergleiche zwischen dem gesunden und kämpfenden Körper sowie dem kranken und dem verwundeten Körper ziehen. Zu den Merkmalen des gesunden aktiven (kämpfenden) Körpers zählen Atem, Blut, Muskeln und Organe, während der verwundete oder verstümmelte Körper ein in seine Einzelteile zerlegter Körper ist. Der tote Körper wird in einigen Textpassagen auch als Waffe und somit in einer aktiven Form beschrieben. So trete der truncus (Rumpf ohne Extremitäten, d.h. Enthauptung) als posthumane Mensch-Waffe auf, während der cadaver den enthumanisierten toten Körper beschreibt, der unbestattet daliegt. Ambühl führte auf, dass innerhalb des Textes nur selten normale Totenrituale, sondern im Umgang mit dem toten Körper vornehmlich von einer Nicht-Bestattung (Menschenopfer, Siegestrophäen), aber auch natürliche Verwesungsprozesse genannt werden.


Abb. 3: PD Dr. Annemarie Ambühl präsentiert ihre Arbeit. (Foto: Jessica Knebel)



Mit jüdischen Körperkonzepte in der (Spät)Antike beschäftigte sich Dr. Lennart Lehmhaus (Berlin). In den rabbinischen Texten werde der menschliche Körper mit dem göttlichen Kosmos in Analogie gesetzt. Der weibliche Körper werde oftmals als Haus verstanden, der 252 Glieder hat, darunter zum Beispiel zwei Scharnieren und zwei Türangeln. Ebenso wurde der weibliche Körper als Heim für den Embryo angesehen. Die innere Struktur und der Körper des werdenden Körpers erhält Bestandteile von Mutter und Vater, beide waren für die Embryobildung verantwortlich: So gibt die Mutter das Rote (z. B. Blut, Haut, Fleisch) und der Vater das Weiße (z. B. Knochen, Nägel, Weißes des Auges). Aber auch die Beteiligung Gottes war nötig, damit Leben entstehen kann. Gott ist zum Beispiel für den Geist, den Atem, die Gesichtszüge, das Sehen, das Sprechen, das Wissen und das Verstehen verantwortlich. Wenn Gott seinen Anteil aus dem Menschen wieder fortnahm, führte dies zum Tod. Den Texten zufolge trete Gott als Heiler auf, weswegen ein Leben nach Gesetzen und Geboten Gottes notwendig sei, um Krankheiten zu vermeiden. Der Mensch bestehe halb aus Wasser und halb aus Blut. Wenn der Mensch jedoch sündigt, herrscht Wasser oder Blut vor und dies verursacht Krankheiten. Im Zusammenhang mit der jüdischen – in der (Spät)Antike – Behandlung eines Körpers beschrieb Lehmhaus weiter, dass der Körper eines Sterbenden wie der eines Lebenden behandelt werden sollte, so durften beispielweise die Körperöffnungen nicht verschlossen werden, bis die Person gestorben ist.

Dr. Dr. Katherina Sabernig (Wien) referierte über Gesundheit, Krankheit und Tod in der tibetischen Medizin. Nach einer historischen Einleitung über den Transfer medizinischer Texte, wurde die Essenz der tibetischen medizinischen Texte als Resultat einer Mischung von verschiedenen Kulturen erklärt. Die Grundthemen der Medizin wurden aus verschiedenen Perspektiven behandelt, wofür die vier Tantras des rgyud-bzhi benutzt werden. Gier (verbunden mit Wind und der blauen Farbe), Hass (verbunden mit Galle und der gelben Farbe) und Verblendung (verbunden mit Schleim und der weißen Farbe) gehören zu den hauptsächlichen Krankheitsursachen im Ayurveda. Als weitere Nebenursachen von Krankheiten nannte Sabernig Zeit, Dämonen, Ernährung und Verhalten. Zur Diagnostik wurde in der tibetischen Medizin häufig auf den Puls und den Urin zurückgegriffen. Ebenso waren die fünf Elemente (Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum), die bei der Embryonalbildung wichtig waren, als Nebenursachen von Krankheiten zu berücksichtigen. Wenn der Tod eines Individuums eintritt, wird der Körper erst zu Hause geehrt. Hier wird mittels Vorlesen verschiedener Texte versucht, die Seele des Verstorbenen vom Körper loszulösen. Die Bestattung fand unter freiem Himmel statt, um Schlangengeistern nach dem Tod des physischen Körpers zu entgehen. Während die Aasgeier, die den Verstorbenen in einen Zustand zwischen dem Tod und der Wiedergeburt tragen, das Fleisch fressen, schauen die Verwandten des Verstorbenen zu.

Dr.Stephanie Mühlenfeld (Geisenheim) veranschaulichte verschiedene Vorstellungen von Krankheit und Heilung im Mittelalter. Sie arbeitete anhand literarischer Quellen (wie dem Heidelberger Totentanz oder dem Ackermann aus Böhmen) heraus, dass ein Ungleichgewicht der vier Säfte (Wasser, Luft, Feuer und Erde), die den Körper als Mikrokosmos definieren, schlechte Luft oder die Strafe Gottes für Krankheiten verantwortlich war. Gegen diese Krankheitsverursacher waren verschiedene Behandlungsmaßnahmen bekannt. So wurde die Harnschau oder der Aderlass angewandt, um die Säfte wieder ins Gleichgewicht zu bringen, während Zaubersprüche bei schlechter Luft und gottgefälliges Handeln und Fühlen bei der Strafe Gottes helfen sollte. Im Fall eines Lepraerkrankter beispielweise wurde die Person als Tod erklärt und von der Gesellschaft ausgeschlossen. Diese Krankheit wurde durch ein Übermaß der schwarzen Galle erklärt und vermutlich als Strafe Gottes auf eine Sünde angesehen. Mühlenfeld ging außerdem auf die Stellung des Todes im Mittelalter ein und beschrieb, dass der Tod als öffentliches Phänomen und alles andere als Tabu angesehen wurde. So wurde er im Laufe der Zeit und mit Meinungswandeln als Übergang der Seele einer Person vom Diesseits ins Jenseits gesehen, wobei die Anwesenheit eines Priesters beim Vorgang wichtiger wurde.

Einen Einblick in die chinesische Medizin gab Prof. Dr. Paul U. Unschuld (Berlin) mit dem Vortrag „Heilen ist Regieren. Der Organismus ist der Staat, Gesundheit ist Harmonie“. Er beschrieb, wie in China ein neuer Ansatz in der Medizin entstand, so wie die Texte von Huang Di Nei Jing aus dem 2. bis 1. Jh. v. Chr. zeigen. Diese Medizin basiert auf verschiedenen Grundgedanken (wie ein neues Verständnis des menschlichen Körpers, eine neue Naturwissenschaft und Akupunktur als neue Therapieweise). Der menschliche Körper wurde in Analogie zum Staat gesetzt und werde wie der Staat regiert. Dieser ganzheitliche Ansatz der chinesischen Medizin kann nicht ohne Weiteres in das westliche Denkmuster übertragen werden, da das entsprechende chinesische Wort sowohl mit „heilen“ als auch mit „regieren“ übersetzt werden kann. In dieser Vorstellung stehe der Staat für den Körper, Kriege für Krankheiten, Frieden und Harmonie für Gesundheit und Regieren für Heilen. Metaphern wie die Lunge als Kanzler, das Herz als Herrscher, die Leber als General oder die Milz als Speicher-Aufseher verdeutlichen, dass der Körper als politischer Organismus gedacht wurde: „Politik ist Medizin in Großen“. Unschuld führte an, dass Krankheit und Gesundheit unabhängig von Geistern, Ahnen, Göttern und Dämonen sei, da das „Übel“ (xie) für Krankheiten verantwortlich sei. Der Mensch solle den Gesetzen der Gesellschaft und Natur Folge leisten, um sein eigenes Wohlbefinden zu garantieren. Demnach sei der Mensch selbst für seine Gesundheit verantwortlich. Auch bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten müsse der individuelle Körper berücksichtigt werden. 

Abb. 4. Prof. Dr. Matthias Krings spricht über Weltbilder und Körperkonzepte in Afrika (Foto: Sina Lehnig)

 
Den Abschluss der Ringvorlesung bildete der Vortrag „Der Körper als Medium. Beispiele aus Afrika“ von Prof. Dr. Matthias Krings (Mainz). Krings demonstrierte, wie transzendente Mächte für Leiden und körperliche Besonderheiten verantwortlich gemacht wurden. Zu diesen Mächten zählen Geister (Bori-Kult der Hausa) und Hexerei (Mangu bei den Azande) als Ursache von Krankheit, Leiden und Unglück sowie Geister als Ursache für von der Norm abweichende Körper (Zeruzeru in Tansania). Während im Bori-Kult und bei den Zeruzeru der ehemalige Kranke zum Heilenden werden kann, ist dies bei den Azande nicht möglich. Der Körper wird in diesen Kulturen auf unterschiedliche Weise konzipiert und die Behandlung, die er erhält, unterscheidet sich in gewissem Maße zwischen ihnen. Die Bori-Kultur sieht den Körper als Artikulationsort gesellschaftlicher Transformationsprozesse und Refugium älterer Glaubenspraxis an. Innerhalb der Mangu-Kultur wird der Körper als Artikulationsort sozialer und zwischenmenschlicher Konflikte gesehen. Die Zeruzeru-Kultur versteht den Körper jedoch als Medium, als Vermittler oder Träger der Kraft transzendenter Mächte. Zusammenfassend ist zu sagen, dass Leiden und körperliche Besonderheiten von transzendenten Mächten, die sich in jeder der vorgestellten Kulturen auf eine andere Weise manifestierten, verursacht werden.

Dank zahlreicher und Fach unterschiedlicher Vorlesungen wurden die interkulturellen Eigenheiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede verschiedener Kulturen im Laufe einer langen Zeitspanne besser verstanden. Einige Vorträge beschäftigten sich mit vormodernen Kulturen des Mittelmeerraums (z. B. Mesopotamien, Ägypten, griechische und römische Antike), die auch zu den Disziplinen des Graduiertenkollegs 1876 gehören. Diesen Kulturen wurden Gesellschaften (z. B. modernes Afrika, China, Tibet), die nicht im Graduiertenkolleg behandelt werden, gegenübergestellt. Trotzdem zeigten alle diese Vorträge, wie bedeutend der Körper als Teil einer Gesellschaft war. Eine Bedeutung, die sich erhöhte, als die Gesellschaft größer und komplexer wurde. Durch die Vorträge wurden Parallelen und Unterschiede von Körperkonzepten deutlich. Beispielsweise werden in Mesopotamien, Ägypten, Afrika und teilweise in der tibetischen Medizin externe Kräfte für Krankheiten verantwortlich gemacht, während in der chinesischen Medizin der Mensch selbst für seine Gesundheit verantwortlich ist. In jüdischen Texten und im Mittelalter waren unter anderem die Körpersäfte die Verursacher von Krankheiten. Der lebende Körper zeichnet sich in Mesopotamien durch den Lebensatem aus. Auch im lateinischen Epos wird der gesunde Körper unter anderem durch den Atem charakterisiert. Für die Konzeptualisierung des toten Körpers lassen sich ebenfalls in den verschiedenen Kulturen Gemeinsamkeiten finden. In Mesopotamien muss der Totengeist vom Körper des Verstorbenen befreit werden. Auch in Ägypten trennt sich der Ba vom Körper des Verstorbenen und in der tibetischen Medizin wurde die Seele ebenfalls vom Körper gelöst. Somit brachte die Vortragsreihe Forschende aus verschiedenen Disziplinen zusammen und verdeutlichte, wie fruchtbar der interdisziplinäre Austausch für die Wissenschaft ist.

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