Von Magiern, Feen und Hexen. Internationale Tagung in Amiens, 13.–15.03.2019

Ein Beitrag von Sandra Hofert.
 
Ob als helfende Berater oder herausfordernde Antagonisten, ob als verführerische Figuren oder angsteinflößende Gestalten, ob als Erbauer magischer Burgen und Apparate oder als Herrscher über Naturgewalten – magische Wesen wie Feen und Zauberer übernehmen ganz unterschiedliche Rollen in der mittelalterlichen Literatur (Abb. 1). Sie können die Welt um sie herum oder auch sich selbst verwandeln und kommen oft aus einer Welt, in der andere Regeln herrschen als in der höfischen. So stellen sie die gewohnten Normen auf die Probe: Durch ihre Andersartigkeit können sie den Blick auf das Gewöhnliche lenken, Reflexionsprozesse auslösen und die Aufmerksamkeit auf bestimmte Themenkomplexe richten.

 Abb. 1: Die Melusine.
Quelle: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 4028, 65r (1468).


Diese Figuren und andere mit Magie und Zauber verbundene Wesen standen in ihrer Vielfalt im Zentrum der Tagung Magie, Féerie, Sorcellerie, die vom 13. bis zum 15. März 2019 im Logis du Roy in Amiens (Frankreich) stattfand (Abb. 2).

In der regelmäßig von Danielle Buschinger organisierten Veranstaltung, die sich jedes Jahr einem anderen Thema widmet, haben sich diesmal wieder zahlreiche Vortragende aus unterschiedlichen Bereichen der Mittelalterforschung versammelt, um sich auf wissenschaftlichen Wegen in das magische Reich von Hexen, Feen und Zauberern zu begeben.

Abb. 2: Der Tagungsort: Logis du Roy, Place du Palais de Justice.
Foto: Sandra Hofert. 

Im Zentrum des Vortrags von Danielle Buschinger (Amiens) beispielsweise stand Klingsor, der in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters wohl bekannteste Zauberer, und seine Wirkung auf die Darstellung anderer Zaubererfiguren. Der Vortrag von Ronny Schulz und Wiebke Witt (Kiel) beschäftigte sich allgemein mit der Figur des Zauberers und fragte nach seinem Charakter als Grenzgänger, insbesondere in den spätmittelalterlichen Romanen „Königin Sibille“ und „Loher und Maller“.

Performation und Aufführung standen im Zentrum des Vortrags von Andrea Grafetstetter (Boulogne sur Mer), die sich mit Magie auf der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bühne auseinandersetzte. Eine kurze Geschichte abergläubischer Praktiken und dazugehöriger literarischer Imaginationen gab Klaus Ridder (Tübingen). Désirée Mangard (Innsbruck) verfolgte das Motiv des magischen Ringes vom deutschsprachigen Mittelalter bis hin zu Tolkien und Miriam Strieder (Innsbruck) stellte die Minnebeziehungen des arthurischen Musterritters Gawan in den Kontext von Magie und Zauber.

Andere Vorträge beleuchteten unterschiedliche Perspektiven von Hexenglauben und Hexenverfolgung: So zeigte beispielsweise Max Siller (Innsbruck) die Fallstudie eines Tiroler Hexenprozesses aus dem 16. Jh.; Fausto de Michele (Wien/Graz) stellte die Hexenverfolgung in den Kontext der Querelle des femmes; Florent Gabaude (Limoges) beleuchtete die Werke von Hans Sachs und deren Zusammenhang mit Magie und Hexenjagd und Winfried Frey (Frankfurt a. M.) zeigte, wie das Motiv des Gestankes in zahlreichen verschiedenen Quellen sowohl mit dem Teufel als auch mit Hexen verbunden wurde und darüber hinaus eine Rolle bei der Diffamierung von Juden spielte.

Es war ein vielfältiges und abwechslungsreiches Programm mit zahlreichen weiteren anregenden Beiträgen, die alle im zeitnah erscheinenden Tagungsband nachgelesen werden können.

Auch das GRK 1876 „Frühe Konzepte von Mensch und Natur“ war vertreten durch Sandra Hofert (die Autorin dieses Beitrags). In ihrem Vortrag ging es um Feen, Einhörner und den Einfluss verschiedener Wissensdiskurse auf mittelalterliche Minnedarstellungen. Wo Feen und Einhörner heute einen ähnlichen Wirklichkeitsstatus besitzen und als fiktive Gestalten gelten, zeigt sich im Mittelalter ein anderes Bild: Dort gelten zahlreiche Tiere, die wir heute als Phantasiegestalten beschreiben würden, als real. Als Teil der Schöpfung Gottes spielt beispielsweise das Einhorn eine große Rolle in theologischen und naturkundlichen Diskursen und wird – von diesen Traditionen ausgehend – in verschiedenen Kontexten nutzbar gemacht. Dabei bewegen sich literarische Bezüge auf das Einhorn oft im Spannungsfeld zwischen weltlichen und geistlichen Konnotationen (Abb. 3).  

 Abb. 3: Vermeintliches Horn eines Einhorns 
aus der Sammlung von Kardinal Flavio Chigi im Museo Civico Medievale (Bologna).
Foto: Sandra Hofert.

In der Figur der Fee dagegen kommen sehr verschiedene Traditionen zusammen: Oft gilt sie eher als mythisches Wesen des Wunderbaren und wird mit dem Moment der Undurchschaubarkeit und Rätselhaftigkeit verbunden. Feenfiguren markieren eine Abweichung und sind somit literarische Gestalten, mit denen das Potenzial einhergeht, die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf bestimmte Problemfelder zu lenken und so verschiedene Themenkomplexe zu problematisieren. Einer dieser Themenbereiche ist die Hohe Minne: Momente von zauberhafter Anziehung und undurchschaubarer Bedrohlichkeit, Zwanghaftigkeit und Überwältigung können auf das Verhältnis von Minnedame und Minnesänger übertragen werden und die Minnedame in die Nähe einer Feenfigur rücken oder auch den Minnesänger als feenhafte Gestalt charakterisieren.

So hat der Vortrag gezeigt, wie unterschiedlich die Integration von Einhorndarstellungen und Feenfiguren in mittelalterliche Minnediskurse funktionieren kann und wie es dadurch möglich wird, ganz unterschiedliche Facetten und Aspekte vom Konzept der Hohen Minne zu verhandeln.

Das Programm der Veranstaltung war insgesamt sehr interessant und abwechslungsreich mit vielen anregenden Diskussionen in freundschaftlicher Atmosphäre in einer schönen und beeindruckenden Stadt. So möchte ich mich abschließend an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei Danielle Buschinger für die Organisation der Tagung und beim Graduiertenkolleg 1876 „Frühe Konzepte von Mensch und Natur“ für die Finanzierung meines Tagungsbesuches bedanken.

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