Exkursion des GRKs nach Athen und Santorini – aus der Perspektive der professores

Ein Beitrag von Jochen Althoff und Tanja Pommerening.
Nach dem anstrengenden vergangenen Jahr, das ganz im Zeichen der Berichterstattung, Revision, Beantragung der Fortsetzung und Begehung des Graduiertenkollegs stand, ist unsere erste Förderphase mit einem besonderen Ereignis ausgeklungen: einer außerplanmäßigen Exkursion. Aus unserer Sicht war einer der besonderen Vorzüge, dass nicht die Träger und die Koordinatorin die gesamte Organisation leisten mussten, sondern dass wir uns im Gegenteil in großer Gelassenheit dem Organisationstalent der Kollegiatinnen und Kollegiaten anvertrauen konnten, die die Hauptarbeit getan haben. Und so viel vorweg: Sie haben dies mit absoluter Bravour erledigt! Es gab überhaupt nichts auszusetzen, Flüge und Hotels waren gebucht, Museen ausgesucht, ein wissenschaftliches Rahmenprogramm in mehreren Stufen angesetzt – nichts weniger als perfekt. 

Für eine Ägyptologin, die bislang aufgrund ihres großen Faibles für die minoische Kultur mehrfach auf Kreta war, war die Wahl der Graduierten perfekt. Die prähistorischen und bronzezeitlichen Sammlungen für kykladische Kunst und des Nationalmuseums in Athen schlugen die Brücke nach Santorini mit seinen Museen und Ausgrabungen.

Ein Gräzist muss nicht diskutieren, warum es sinnvoll ist, nach Athen zu fahren. Es ist der stetige Ausgangs- und Zielpunkt seiner alltäglichen Arbeit, auch wenn der natürlich bis zur Unkenntlichkeit idealisiert ist und mit dem modernen Athen eher weniger zu tun hat. Es ist auch die Wiege großer Teile der abendländischen Kultur und Wissenschaft und natürlich ein ewiger Sehnsuchtsort des Nordeuropäers. Schon die alten Römer machten ihre Bildungsreisen dorthin.

Aus Sicht des Graduiertenkollegs könnte man natürlich schon fragen, warum es ausgerechnet Santorini sein musste. Die Organisatorinnen hatten eine plausible Erklärung parat: Es sollte um Vulkanismus und frühe mediterrane Kulturen gehen, Themen die im Graduiertenkolleg vielfach behandelt werden, und diese Verbindung erwies sich im Nachhinein geradezu als zwingend. Eine großartige Wahl!

Athen ist immer eine Reise wert. In aller Frühe schon kamen wir dort an (der Flug war noch halb in der Nacht in Frankfurt gestartet, aber Opfer müssen gebracht werden …), problemlos ging es per Taxi zum Hotel mitten in der schon recht gut besuchten Plaka. Feinfühlig hatte man darauf geachtet, dass die Greisinnen und Greise des Trägerkreises eine von den jungen Kollegiatinnen getrennte Unterkunft bekommen hatten … 

Die ‚Trägergreise‘ kurz nach der Ankunft im Athener Hotel: „Grinsen bitte! – Da geht noch mehr!“ (alle Fotos: T. Pommerening)

Die stand aber direkt unterhalb der Akropolis und war dadurch unschlagbar. Vom Frühstückssaal auf dem Dach des Hauses konnte man direkt zur Akropolis hinüberschauen und sich ein wenig wie ein echter alter Athener fühlen, der sich im Schatten seiner Burg und seiner Göttin wohl die meiste Zeit geborgen und sicher gefühlt hat. Überhaupt ist die Plaka wahrscheinlich der beste Stadtteil, in dem man sich in Athen aufhalten kann.

Blick vom Dach des Hotels auf die Akropolis

Das Nationalmuseum gehörte natürlich zum Pflichtprogramm. Das Museum bot für all unsere Disziplinen etwas; selbst eine umfangreiche ägyptologische Sammlung war vorhanden, und die Zeit reichte kaum aus, alle themenrelevanten Objekte zu erfassen, zumal spontane Referate zu einem Objekt zuweilen in komplexe interdisziplinäre Fachdiskussionen mündeten.

Beklemmend war der ungeheure Zustrom der Massen zur Akropolis, und dies noch außerhalb der eigentlichen Touristensaison. Dies ist leider die durchgängig erfahrbare Kehrseite des weitgehend vom Ruhm seiner antiken Stätten lebenden Landes. Befremdlich empfanden wir den im wahrsten Wortsinn lapidaren Zustand des berühmten Dionysostheaters. Dass hier Aischylos, Sophokles, Euripides, Aristophanes und zahlreiche andere Dramatiker der großen Zeit Athens ihre Stücke aufgeführt haben sollen, ist den armen Resten weder anzusehen noch nachzuspüren. Der Phantasie gibt dann schon eher das Odeion des Herodes Atticus Nahrung, das auch heute noch bespielt wird.


Dionysostheater

Die Akropolis verändert sich zum Glück über die Jahre kaum noch, man kennt sie aus den Schulbüchern, von früheren Besuchen und fühlt sich in seiner lange gehegten Einschätzung bestätigt: Mächtig, ein wenig angeberisch und stets in der Restaurierung begriffen. Das galt sicher auch für das klassische Athen. Drumherum ein Touristengewusel, das einem bisweilen den Atem nimmt. Schatten ist dort oben auch rar. Warum ist eigentlich noch niemand auf die Idee gekommen, ein schönes Akropolis-Café zu eröffnen? Vielleicht im alten Akropolismuseum, mit Außensitzplätzen unter schattenspendenden Schilfmatten? Natürlich stört das etwas das antike Bild, aber das tun die Besucher auch, und die Akropolis ist nun einmal ein musealer Ort. Erst 2009 eröffnet wurde das Akropolis-Museum, das allein schon seiner Architektur wegen einen Besuch wert ist. Hier versuchten wir uns an der Lektüre griechischer Inschriften.

Am dritten Tag gab es eine Führung durch den Kerameikos. Das war ziemlich beeindruckend und auch nicht halb so überlaufen. Große Reste der alten Athener Stadtmauer und des Dipylontores, durch das die alte Straße zu Platons Akademie und später auch zum „Garten“ Epikurs führte. Wenn man sich vorstellt, dass Platon mit seinen Schülern, sicher auch mit Aristoteles, dort vor ein paar tausend Jahren regelmäßig zum Philosophieren hindurchging, berührt das besonders den Gräzisten. Schön auch, dass man an einer Ecke noch den Namen Menanders lesen kann, über dem sich wohl ursprünglich eine Porträtstatue des Komikers befand. Leider sind die relativ jungen Ausgrabungen des aristotelischen Peripatos an anderer Stelle außerordentlich unspektakulär.

Den Nachmittag verbrachte die der Heilkunde zugetane Ägyptologin mit dem „Medizin“-Team im Pharmakologie-Museum. Auch dies war ein besonders eingängiges Erlebnis. Der Emeritus für Pharmakologie empfing uns gemeinsam mit dem Direktor des Instituts mit einer unschlagbaren Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Nach Kaffee, Kuchen und Keksen lernten wir alle Objekte im Detail kennen. Enthusiastisch nahmen wir auch das Angebot an, einen Einblick in die hochgesicherte Tierversuchsabteilung zu erhalten. Der ein und andere von uns verlor dabei die Gesichtsfarbe, was aber hinter Mundschutz und Kopfbedeckung nicht so auffiel. Andere Graduierte hatten den Nachmittag im Byzantinischen Museum, im Museum für Kykladische Kunst und im Militärmuseum verbracht. Das abendliche gemeinsame Dinner bot den perfekten Rahmen, sich über das Erlebte auszutauschen.

Dann ging es nach Santorini. Auch hier waren schon in der Vorsaison erhebliche Besuchermassen in den engen Gassen unterwegs; man möchte gar nicht wissen, wie es erst im Sommer zugeht, wenn die Kreuzfahrtschiffe ihre Menschenladungen ausspucken. Entsprechend ist der Hauptort Fira von Kneipen, Restaurants, Nippesgeschäften jeder denkbaren und undenkbaren Art gefüllt, von allem eben, was der moderne Tourist erwartet. Auch preislich begeben sich die Restaurants am Hang zur Kaldera hin auf ein geradezu unverschämtes Niveau. Aber der Blick soll eben auch bezahlt werden. Dem Vernehmen nach will der Reisende dann noch wildromantische Sonnenuntergänge über den blauen Kuppeln der weißen Häuser sehen, was unserer eher fachorientierten Exkursion glücklicherweise erspart blieb.

Aber was für eine Offenbarung boten Akrotiri und das dazugehörige Museum! Sicher, man hat davon gelesen und gehört, aber ein erster Besuch der monumentalen Ausgrabungsstätte, geradezu mondän überdacht und bequem begehbar, stellt doch das alles in den Schatten.

 Modell von Akrotiri

Besonders eindrucksvoll sind dazu die erstaunlich intakten Wandgemälde im Museum, die man aus etwas späterer Zeit in ähnlicher Form unter anderem auch im Nildelta, in Syrien, Israel, Anatolien und Irak vorgefunden hat. Wie sehr passt zu diesen monumentalen Resten die dramatische Tragödie vom Tod des ersten Ausgräbers, der während seiner Arbeit von einer Mauer stürzte! Wie ungerecht die Welt sein kann. Es ist ein bewegendes Zeichen der Verbundenheit des Wissenschaftlers mit seinem Werk, dass er in der Nähe der Ausgrabungsstätte begraben wurde. Ausgraben, begraben – manchmal schreibt das Leben einfach die besseren Geschichten. Allein für Akrotiri lohnt sich jede Reise nach Santorini.

Und natürlich der Vulkanismus. Zum Glück war es während unseres Aufenthaltes dort ruhig, die vulkanische Aktivität wird akribisch überwacht, aber man traut ja den Prognosen nie ganz. In diesem Fall hat der Vulkanismus eine sehr schöne Insel geschaffen, das sei eingeräumt, bisweilen gar unwirklich schön. Aber auch auf Kreta zum Beispiel gibt es sehr schöne Flecken, und eigentlich ist nahezu jede griechische Insel schön – mit Ausnahme vielleicht, aus Sicht des Gräzisten, der erst in historischer Zeit entstandenen Nea Kameni in der Kaldera von Santorini, die wir per Schiff besucht haben. Während die Graduierten und ein Teil des Trägerkreises sich voller Entdeckerlust der Geologie und Flora der Insel samt übelriechender Rauchschwaden hingaben, entflohen die Altphilologen dem in sengender Hitze liegenden kargen vulkanischen Eiland ohne Baum und Strauch und sponserten die Gastronomie an Bord des Schiffes.
Nea Kameni
Unser letzter Tag führte uns zu Fuß von Fira nach Oia und bot erstmals Gelegenheit, in die Natur der Insel einzutauchen und Passagen fernab der Touristenströme zu erleben.

Also in der Summe: An nahezu allen Orten gab es Präsentationen der Kollegiatinnen und Kollegiaten, die sich bemüht haben, der geschauten Wirklichkeit eine geistige Durchdringung an die Seite zu stellen – dies ja ist nun das Standardprogramm jeder wissenschaftlichen Exkursion. Aus Sicht des Gräzisten: Alte Eindrücke wiederholt und vertieft, auf Santorini starke neue empfangen. Aus Sicht der Ägyptologin: Jeder Tag perfekt, maximaler Input und großartiges Team. Unser gemeinsames Prädikat für diese Reise: rundherum gelungen, Wiederholung angeraten!

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