Medizin und Tod in der "Alten Welt" - 36. Treffen des interdisziplinären Arbeitskreises "Alte Medizin", 2. und 3. Juli 2016 im Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Ein Beitrag von Carrie Schidlo.

Am Samstag, den 2. Juli 2016, begrüßten Prof. Dr. Tanja Pommerening und Prof. Dr. Livia Prüll die Teilnehmer des 36. Treffens des interdisziplinären Arbeitskreises (IAK) "Alte Medizin" in den Räumlichkeiten des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Prof. Dr. Prüll führte in die Thematik des IAK ein und berichtete über die Genese des aktuellen Tagungsthemas "Medizin und Tod in der 'Alten Welt'", womit das Treffen erstmals unter einem übergeordneten Thema stattfand.


Krankheit, Leiden, Sterben, Selbstmord und Tod

 
Der Eröffnungsvortrag wurde von PD Dr. Thorsten Fögen (Durham, UK & Wassenaar, Niederlande) gehalten. In "Krankheit und Tod in der frühkaiserzeitlichen römischen Welt" stellte er zunächst heraus, dass Krankheit, Leiden und Tod im antiken Alltag stets allgegenwärtig waren. Dies stehe im Gegensatz zur Tabuisierung von beispielsweise Selbstmord und Tod im 21. Jahrhundert. Anhand mehrerer Texte unterschiedlicher literarischer Gattungen machte Fögen deutlich, dass selten eine spezifische Krankheit genannt wird. In den Nachrufen auf die Verstorbenen wurde, neben Alter, Beruf oder Stand, jedoch häufig auf die Natur des Ablebens eingegangen, d. h. ob ein natürlicher Tod eingetreten ist oder eine Ermordung vorliegt.
 

Ost, West und ein Sprung von 800 Jahren

 
Nach der Pause richtete sich mit Shahrzad Irannejads (Mainz, GRK 1876) Vortrag "Theorization of Death in Avicenna's Canon of Medicine" der Blick auf die Vorstellung des Todes in der arabischen Welt des 10. Jahrhunderts. Irannejad stellte die im ersten Buch von Avicennas "Kanon der Medizin" aufgeführten Überlegungen zu Gesundheit und Krankheit sowie zur Notwendigkeit des Sterbens vor. Weiterhin ging sie auf eine sehr ausführliche Liste mit Anzeichen für einen baldigen Tod ein.
 
Zurück in das 2. Jahrhundert ging es mit dem Vortrag "Lukian und die totbringenden Wohlstandskrankheiten" von Frank Ursin (Halle/Saale), mit dem dieser Vortragsabschnitt beschlossen wurde. Ursin führte die medizinischen Beobachtungen in den Werken des Satirikers Lukian vor, in denen dieser verschiedene Krankheiten, wie beispielsweise Gicht, mit dem Luxus an Speiseauswahl und -menge in Verbindung brachte.
 

Von standesgemäßem Sterben und magisch-rituellem Heilen

 
Die nächste Sektion, von Dr. med. Madeleine Mai (Mainz) moderiert, wurde von Stefan E. A. Wagner (Catania, Italien) eröffnet. Sein Vortrag "Der Tod eines Handel Treibenden: Das Eurysaces-Grabmal an der Porta Maggiore in Rom und die Hierarchisierung des Sterbens im Römischen Reich" beschäftigte sich mit den unterschiedlichen Formen der Grabmalgestaltung anhand des sozialen Standes der Verstorbenen.
 
Dr. med. Dr. Waltraud Wamser-Krasznais (Butzbach) Vortrag "Mythos, Magie und Metamorphosen. Schlaglichter auf Arzt und Tod in der Alten Welt" beleuchtete einen weit gefassten Begriff des Arztes in der Antike. Hiernach zählen nicht nur die menschlichen Ärzte dazu, sondern auch Heilheroen und Heilgötter. Der Begriff des Todes wurde ebenfalls breit erfasst, u. a. als Metamorphose, Wiedergeburt oder auch Vergöttlichung. Mit diesem Vortrag wurde der erste Tag des 36. Treffens beschlossen.
 

Beschreibungen von Erkrankungen: Konzeption und Rezeption


Am Sonntagmorgen begrüßte Prof. Dr. Klaus-Dietrich Fischer (Mainz) die Teilnehmer zur ersten Sektion des Tages. Der erste Vortragende, PD Dr. med. Mathias Witt (München), sprach in seinem Vortrag über "Die Nerven-Sympathie (νευρικὴ συμπάθεια) – ein antikes Konzept der Krankheitsfortleitung und -ausbreitung".
 
Anschließend beschäftigte sich Dr. Nadine Metzger (Erlangen-Nürnberg) in "'Denn Hippokrates war Naturwissenschaftler!' Zur modernen Rezeption der Epilepsie-Schrift De Morbo Sacro" mit den verschiedenen Auslegungen dieser Schrift, u. a. als Erstbeschreibung eines großen epileptischen Anfalls.


Darstellung von Krankheiten und Entwicklung einer Therapieform

 
In den zweiten Abschnitt des Tages wurde von Dr. med. Madeleine Mai eingeleitet. In ihrem Vortrag "Blindheit in der griechischen Kunst des 8. bis 4. Jh. v. Chr. Aspekte der Heilung: Zwischen göttlichem Willen und medizinischer Therapie" gab Sarah Prause (Mainz, GRK 1876) Einblicke in ihr laufendes Dissertationsprojekt.
 
Im Anschluss daran verlagerte sich der Fokus wieder nach Osten. Vivien Shaw (Oxford) stellte in "Was Acupuncture developed by Han Dynasty Chinese Anatomists?" ihre Beobachtungen vor, welche sie im Joint-Project mit Dr. Amy K. McLennan (Oxford) gemacht hatte. Entgegen der Annahme, dass in China kaum Sektionen an Leichnamen durchgeführt wurden, postulieren Shaw und McLennan, dass auch für die Ermittlung der Akupunkturpunkte Leichen herangezogen wurden.
 

Papyri und Wissen aus Ägypten

 
Die Abschlusssektion, die von Prof. Dr. Tanja Pommerening (Mainz) geleitet wurde, eröffnete Anna Monte (Berlin). Sie stellte in "Medizinische Rezeptsammlungen auf Papyrus aus der Berliner Papyrussammlung" drei griechische, medizinische Papyri aus Ägypten vor, die Teil ihres Dissertationsprojekts sind.

Dr. Lutz Popko (Leipzig) beschloss die Tagung mit der Präsentation "Die Website 'Science in Ancient Egypt' – ein Portal zu altägyptischen medizinischen Texten". Er stellte damit die aktualisierte Version vor, in der momentan überwiegend die heilkundlichen Texte erfasst werden. Bis 2032 werden die bekannten Texte magischen, mathematischen, kalendarischen, astrologisch-astronomischen, mantischen, divinatorischen sowie geographischen, botanischen, chemischen und onomastischen Inhalts wie auch Lexika und Priesterhandbücher eingepflegt.

Kommentare