Workshop "Naturvorstellungen im Altertum. Schilderungen und Darstellungen von Natur im Alten Orient und in der griechischen Antike"

Ein Beitrag von Dominic Bärsch.

Am 11. und 12. März 2016 fand in den Räumen der Hegelstraße der Workshop "Naturvorstellungen im Altertum. Schilderungen und Darstellungen von Natur im Alten Orient und in der griechischen Antike" statt, der von den Kollegiaten Dominik Berrens, Tim Brandes, Katharina Hillenbrand, Carrie Schidlo und Florian Schimpf organisiert worden ist.
In ihrer inhaltlichen und organisatorischen Einführung zum Workshop erläuterten Dominik Berrens und Florian Schimpf zunächst die Grundüberlegungen, die zur Planung der Veranstaltung geführt hatten: In interdisziplinären Gesprächen habe sich gezeigt, dass es sowohl in den Sprachen des Alten Orient als auch im Griechischen und Lateinischen keinen Begriff gebe, der das moderne Naturbewusstsein einer geogenen Natur abbilde. Dennoch finden sich Konzepte einer solchen in den literarischen und materiellen Zeugnissen dieser Kulturen. Die Ausgangsfragen des Workshops wurden deshalb folgendermaßen formuliert: Welche Elemente der geogenen Natur werden wann abgebildet und wie? Stehen diese Naturbilder für sich oder haben sie symbolischen Charakter? Welche Akteure treten im Zusammenhang mit Naturdarstellungen auf? Werden Dichotomien gebildet (Natur – Kultur, Mann – Frau usw.)? Welche Terminologien werden verwendet? Welche Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen griechischen und altorientalischen Zeugnissen lassen sich erkennen? 

Bedrohliche Wildnis und die Neugier an dieser

 
Im ersten Vortrag des Freitagnachmittags warf PD Dr. Claus Ambos (Göttingen) einen Blick auf die "Naturkonzepte im Alten Orient" anhand schriftlicher Zeugnisse. An zahlreichen Beispielen demonstrierte er die Dichotomie zwischen den Konzepten einer wilden Natur außerhalb der städtischen Sphäre und der zivilisierten Stadtgemeinschaft.

Der zweite Vortrag von Prof. Dr. Alexander Pruß (Mainz) "Natur- und Vegetationsvorstellungen in altorientalischen Kulturen" postulierte mit einem zeitlichen Querschnitt der materiellen Hinterlassenschaften, dass die Abbildungen von Naturelementen unterschiedliche Funktionen erfüllten. Beispielsweise fungierten Pflanzendarstellungen als Gebietsmarker, die die abgebildete Szene in einen konkreten geographischen Kontext einordnen. Er stellte zudem die These auf, dass sich in den Darstellungen ab dem späten 8. Jahrhundert v. Chr. eine zunehmende Neugier an der bedrohlichen Natur entwickelt hat.

Im Anschluss an die spannende Sektion des Nachmittags ließen die Teilnehmer den Tag im Graduiertenkolleg schon gut bekannten Restaurant "Plaka" ausklingen, wo die Anregungen der Vorträge in intensiven Gesprächen vertieft wurden.

Des Widerspenstigen Zähmung und Ordnung durch florale Elemente

 
Zu Beginn des Samstages fasste Tim Brandes (Mainz) noch einmal die Ergebnisse des Vortages zusammen, um den Teilnehmern die Naturvorstellungen des Alten Orient in Erinnerung zu rufen und diese im Folgenden mit denen des archaischen Griechenlandes zu vergleichen.

Den Einstieg in diese Thematik ermöglichte Prof. Dr. Hans Bernsdorff (Frankfurt) mit seinem Vortrag "Des Widerspenstigen Zähmung. Natur und Zivilisation in der Lyrik des Anakreon". Deren Spannungsverhältnis sei auch durch die Zuständigkeitsbereiche der Göttin Artemis ausgedrückt.
Mit ihrem Vortrag "Unter den Pflanzen, Tieren und Göttern. 'Natur' in der archaischen Vasenmalerei als Projektionsraum menschlichen Erlebens" ergänzte Dr. Ursula Mandel (Frankfurt) das Bild wiederum durch ihre Beobachtungen zu Abbildungskonventionen in der Vasenmalerei: Charakteristische Naturmerkmale dienten hier als Marker, um den Betrachter eine Verortung der Szenerie in einem Naturraum zu verdeutlichen.

Konkrete, visualisierte und sakrale Natur

 
Die folgende Sektion, die sich mit der Klassik beschäftigte, eröffnete Frau Dr. Marta Scarrone (Frankfurt). In ihrem Vortrag über "Naturdarstellungen in der Vasenmalerei klassischer Zeit" stellte sie die These auf, dass das binome Schema "keine Naturelemente = Polis / Naturelemente = Wildnis" zu kurz greife und abgebildete Naturelemente in vielen Fällen als Andeutungen realer Orte zu verstehen seien.

Dominik Berrens (Mainz) führte die Sektion mit seinem Vortrag "Einsame Inseln und Wolkenkuckucksheim. Naturdarstellungen im attischen Drama" fort, in dem er vor allem darauf aufmerksam machte, dass Naturräume durch verbale Bühnenmalerei geschaffen werde, die dem Rezipienten eine Umgebung imaginiere.
In seinem die Klassik abschließenden Beitrag "Von Naturmalen und Naturräumen. Sakrale Natur in der griechischen Antike" zeigte Florian Schimpf (Mainz) am Beispiel der Naturheiligtümer auf, dass auf religiöser Ebene keine feste Dichotomie "Natur – Zivilisation" auszumachen sei, sondern dass vielmehr eine Aufwertung von Natur im städtischen Kontext bestehe.

Zwischen Wissenschaft, Fiktion und öffentlichen Parkanlagen

 
Als letzte Sektion des Workshops wurde die Zeit des Hellenismus in den Fokus genommen, mit dessen literarischen Hinterlassenschaften sich Frau PD Dr. Annemarie Ambühl (Mainz) in ihrem Vortrag "Zwischen 'Wissenschaft' und Fiktion – Menschen, Götter und Heroen in Naturlandschaften der hellenistischen Dichtung" beschäftigte. In der Dichtung dieser Zeit fand eine Überlagerung von Wissenschaft und Fiktion statt, die es ermöglichte genaue Beschreibungen von Naturphänomenen in literarische Sujets einzubinden. Dabei kämen jedoch nicht nur angenehme Naturvorstellungen zum Tragen, wie etwa diejenige des locus aemoenus, sondern auch negative.
Im letzten Vortrag des Workshops "Es grünt so grün. Öffentliche Parkanlagen in hellenistischen Städten" formulierte Frau Dr. des. Sabine Neumann (Marburg) ihre Beobachtungen zu Parkanlagen im Hellenismus. Naturräume wurden zu jener Zeit wieder in den städtischen Kontext einbezogen.

Abschließend diskutierten die Teilnehmer angeregt über die zu Beginn des Workshops angesprochenen Dichotomien in den betrachteten Kulturen und verglichen die Vorstellungen des Alten Orient mit den teils gleichen, teils verschiedenen der griechischen Epochen.

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