5e Rencontre internationale Études Ptolémaïques - 5. Ptolemäische Sommerschule, Montpellier, 6.-9. September 2015

Ein Beitrag von Victoria Altmann-Wendling.

Die 5. Ptolemäische Sommerschule fand vom 6. bis 9. September im südfranzösischen Montpellier (Abb. 1) in den Räumen des Centre national de la recherche scientifique (CNRS) statt. Sie wurde von Ivan Guermeur (Montpellier) und Laurent Coulon (Lyon) organisiert. Die Ptolemäische Sommerschule ist ein regelmäßiges Treffen internationaler Forscher, die auf die Bearbeitung hieroglyphischer Texte der griechisch-römischen Zeit Ägyptens spezialisiert sind. Dabei werden besonders schwierige Texte mit Übersetzung und Deutung vorgestellt und gemeinsam diskutiert. Die meisten stammen aus den ptolemäischen Tempeln, doch auch andere Textträger wie Statuen und Särge sind vertreten. Die letzten Sommerschulen fanden in Freudenstadt (2005, 2009) Aussois (2007) und Oostduinkerke (2011) statt.

Abb. 1: Blick durch die palmengesäumten Straßen von Montpellier (Foto: Victoria Altmann-Wendling).

Nach der Anreise am Sonntag, die für viele Teilnehmer eine lange Zugfahrt durch ganz Frankreich bedeutete, traf man sich abends zum ersten Mal zum Essen, das durchgehend ganz ausgezeichnet war und dem guten Ruf der französischen Küche gerecht wurde!
 
Die nächsten zweieinhalb Tage boten ein dichtes Programm an Vorträgen. Die im üblichen Stil der Textbesprechung ablaufenden halbstündigen Beiträge wurden jeden Abend durch einen Langvortrag von 1,5 Stunden über ein Spezialthema abgeschlossen. Den ersten bestritt Dimitri Meeks (Montpellier), der über die "Neun-Bogen-Völker" sprach, die die Feinde Ägyptens repräsentieren. Meeks diskutierte eine Liste dieser Volksstämme im Tempel von Edfu und schlug Zuordnungen zu realen Territorien vor. Am zweiten Tag lud Christiane Zivie-Coche (Paris) zu einem "Rundgang" durch den Tempel von Deir Chelouit in Theben-West ein, dessen Publikation von ihr vorgelegt worden war, und der sie nun eine Gesamtübersetzung und -interpretation an die Seite stellen wird.
 
Auch an Themen, die sich in den Kontext "Mensch und Natur" setzen lassen, sind einige zu nennen: Emmanuel Jambon (Tübingen) sprach über das Darreichen von Blumensträußen in Ritualszenen, ein Thema, dem er sich momentan in einer umfassenden Studie widmet. Daniela Mendel-Leitz (Tübingen) stellte erneut einige Aspekte der von ihr zu publizierenden Stiersärge aus Tell Abu-Yasin im Nildelta vor, die sich heute im Kairener Museum befinden. Diese riesigen, an die Dimensionen der Stiermumien angepassten Sarkophage sind mit zahlreichen Szenen und Inschriften versehen, von denen viele astronomische Hintergründe haben, so z. B. die sog. "Stierschenkel-Uhr". Silke Cassor-Pfeiffer und Holger Kockelmann (Tübingen) präsentierten einen schwierigen Text aus Philae, der der Abwehr von Wasserbewohnern diente und wohl die Überfahrt vom Philae-Tempel zum Heiligtum Abaton sichern sollte. Zwei Statuen eines Astronomen mit Namen Horemhab hat Ralph Birk (München) im Rahmen seiner Dissertation bearbeitet. Auf einer findet sich die bemerkenswerte Darstellung des Priesters mit zwei astronomischen Instrumenten. Jan Tattko (Tübingen) sprach über die Repräsentation der Nilflut und des Fruchtlandes in einer Prozession im Tempel von Esna. Der Vortrag von Victoria Altmann-Wendling widmete sich den Darstellungen zweier Stiere auf dem Propylon des Chons-Tempels in Karnak, dem sogenannten Euergetes-Tor. Im Durchgang findet sich gleich zweimal die Abbildung zweier voneinander weglaufender Stiere. Zwischen den Hörnern tragen die Stiere der Westseite Mondscheiben, da der Mond in seiner Zunahme als "hitziger Stier (kꜣ ps)" und in seiner Abnahme als "Ochse (sꜥb)" bezeichnet wurde. Der begleitende Text der östlichen Szene gehört zu einer der ausführlichsten Quellen über den Mondzyklus.
 
Bevor die schöne Tagung am Mittag des dritten Tages endete, fand sie beim letzten gemeinsamen Abend in alten Gemäuern ihren würdigen Abschluss (Abb. 2).
 
Abb. 2: Abschluss-Dîner unter Gewölben (Foto: Stefan Baumann).
 

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