Weltuntergänge. Konzepte von Auflösung in der griechischen und lateinischen Literatur – Projektvorstellung Dominic Bärsch am 21.05.2015

Ein Beitrag von Katharina Hillenbrand.
 
Im Rahmen der Plenumssitzung vom 21. Mai 2015 präsentierte Dominic Bärsch sein Dissertationsprojekt "Weltuntergänge. Konzepte von Auflösung in der griechischen und lateinischen Literatur". Zwar war das Thema des Weltuntergangs bereits durch die interdisziplinäre Ringvorlesung bekannt, büßte aber deswegen nichts an Aktualität ein. Vielmehr mied Dominic Bärsch bewusst Überlappungen und zeigte den Werdegang antiker Konzepte von Weltuntergängen in der Spätantike. Sein Vortrag schuf zuerst einen Überblick über die Quellenlage und den methodischen Zugriff seiner Arbeit und konzentrierte sich anschließend auf anschauliche Textbeispiele.

Überblick über die Quellen

 
Der Untersuchungszeitraum des Dissertationsvorhaben erstreckt sich vom 7. Jhd. v. Chr. bis ins 5 Jhd. n. Chr. Als Herausforderung erachtet Dominic Bärsch besonders die Überlieferungslage der vorchristlich-griechischen Literatur – besonders im Falle der Vorsokratiker und der hellenistischen Philosophie: Die Texte liegen zumeist nur in sekundärer Überlieferung vor, etwa in Form nachchristlicher Kommentare oder Traktate. Zentral ist daher, wie in dieser sekundären Tradierung Konzepte von der Auflösung der Welt genutzt werden. Der besondere Fokus der Arbeit liegt auf Konzepten der Brand- und Flutkatastrophen, die in der griechischen und römischen Literatur die prominentesten Modi der Weltuntergangsdarstellungen bildeten.

Methodischer Zugriff

 
Methodisch nähert sich Dominic Bärsch dem Thema mithilfe der Transtextualitätstheorie nach Gérard Genette (Fn. 1) und ihren weiterentwickelten Formen (Fn. 2). Fruchtbar sind hierbei vor allem Genettes Unterteilungen intertextueller Bezugnahmen in Zitat, Anspielung und Plagiat, besonders für die Analyse des Umgangs frühchristlicher Apologeten mit paganen Autoren. Für diesen Bereich sind zudem die Vorarbeiten Christian Gnilkas zum Themenkomplex der Chrêsis (Fn. 3), der Nutzung paganer Literatur durch die Kirchenväter, sehr nützlich. Die Vorarbeiten zeigen, dass diese Nutzung zwei Grundgedanken verfolgt: Einen theologischen und einen historischen. Der theologische besagt, dass Elemente christlicher Wahrheit bereits in der vorchristlichen Literatur enthalten sind und deswegen zur Darstellung der christlichen Lehre genutzt werden dürfen. Der historische dagegen stellt das Christentum in eine ideengeschichtliche Nachfolge: Gerade bei den frühchristlichen Autoren findet sich die Überzeugung, dass Moses und die Propheten gelebt und gelehrt hätten, bevor die ersten griechischen Weisen auftraten. Alle pagane Weisheit schöpfte nach dieser Lesart aus den Büchern des Alten Testaments und stellte es in verfälschter Form dar. Dadurch war es den frühen Christen möglich, sich eine Identität zu konstruieren, die nicht in die Zeit des Augustus, sondern mehrere hundert Jahre in die Vergangenheit reicht.

Textbeispiele 

 
Anhand einiger Textausschnitte zeigte Dominic Bärsch schließlich, wie beispielsweise Zitate der nicht mehr erhaltenen Werke des vorsokratischen Philosophen Heraklit verschiedentlich genutzt wurden, etwa bei Aristoteles, Lukrez oder Cicero, um die jeweiligen Lehren durch eine Autorität zu unterstützen. Hierfür bot sich Heraklit wegen seiner schon in der Antike als unklar erachteter Aussprüche besonders an, wodurch er für verschiedenste Denkrichtungen in Anspruch genommen werden konnte. Einem Beispiel aus dem Octavius des Minucius Felix galt im Zuge dessen besondere Aufmerksamkeit, da dort zahlreiche Intertextualitätsbezüge den Untergang der Welt durch Feuer als Ergebnis aller paganen Philosophie inszenieren.

Der Vortrag ging damit nahtlos in eine rege Diskussion über.
Fußnoten:
[1] Genette, Gérard, Palimpsestes. La littérature au second degré, Paris 1982.
[2] Vgl. bspw. Gymnich, Marion; Neumann, Birgit; Nünning, Ansgar (Hgg.), Kulturelles Wissen und Intertextualität. Theoriekonzeptionen und Fallstudien zur Kontextualisierung von Literatur, Trier 2006.
[3] Gnilka, Christian, Chrêsis. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kultur, Basel ²2012.

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