Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Jochen Althoff – Frühgriechische Vorstellungen von der Kosmogonie: Hesiod und die Vorsokratiker
Den dritten Vortrag im Rahmen der
interdisziplinären Ringvorlesung "Anfang und Ende. Vormoderne Szenarien von
Weltentstehung und Weltuntergang" hielt Herr Prof. Dr. Jochen Althoff. Als
Gräzist thematisierte er die Vorstellungen der Kosmogonie bei Hesiod und den
Vorsokratikern.
Aus dem Chaos folgt die Ordnung
Zu Beginn seiner Ausführungen beschäftigte er sich mit
der Theogonie Hesiods, einer der
ältesten überlieferten griechischen Dichtungen des Abendlandes. Thema des
Gedichts ist nicht nur die Entstehung der Götter, wie es der Name impliziert,
sondern auch die der differenzierten Welt aus dem Chaos. Althoff betonte dabei,
dass der Begriff des Chaos möglicherweise
in Anlehnung an die Vorstellung eines gewaltigen Welttieres zu verstehen sei,
das aus dem aufklaffenden Mund (griech. chaskein
– aufklaffen) den Kosmos hervorbringt. Im
Laufe des Gedichtes entsteht im Wechsel von asexueller und sexueller
Fortpflanzung eine zunehmende Strukturierung der Welt: Innerhalb dieser
Kosmogonie als Genealogie werden Himmel, Berge, Flüsse und andere Bestandteile des Alls hervorgebracht. Bemerkenswert sei bei dieser
Schilderung auch, dass diese Kosmogonie aus der Perspektive des Dichters heraus
gestaltet wird, was sich etwa daran zeigt, dass die personifizierten
Widrigkeiten des Lebens, wie Hass und Streit, schon vor dem Menschen entstehen.
Die Milesier
In Abgrenzung zu dem mythischen Paradigma Hesiods postulierten die
sogenannten Milesier – eine Gruppe vorsokratischer Philosophen in Milet, deren
Werke uns heute nur noch durch Fragmente bekannt sind – bestimmte Urelemente
und/oder -prinzipien, aus denen die differenzierte Welt entstanden ist und in
die sie gegebenenfalls wieder zurückkehren wird. Thales von Milet (um 585 v.
Chr.) soll das Wasser dabei als Ursubstanz hervorgehoben und dies mit dem Satz
"Alles ist Wasser" zusammengefasst haben.
Anaximander (um 610-547 v. Chr.) hingegen nahm das "Unbegrenzte"
(griech. to apeiron) als eine Art von
Urmasse an, die verschiedene, gegeneinander wirkende Materien entstehen ließe.
Nach einer bestimmten Zeit, in der die differenzierte Welt in Form einer
Säulentrommel existiert, führe dieses gegensätzliche Wirken dann zu einem
Vergehen des Alls zurück zur Urmasse. Ein bemerkenswerter Gedanke, der sich bei
Anaximander zudem findet und prägend für die weitere abendländische Philosophie
wird, ist, dass der gesamte Kosmos durch mathematische Formeln zu bestimmen
sei.
Anaximenes (gest. um 528/25 v.
Chr.) proklamiert als dritter Milesier wiederum ein konkretes Urelement,
nämlich die Luft. Nach dieser Vorstellung, die wohl auf meteorologische
Beobachtungen zurückgeht, ist jedes andere Element eine verdünnte oder
verdichtete Variante der Luft. So bestünde etwa Feuer aus besonders dünner,
Stein wiederum aus sehr dichter Luft.
Empedokles und Demokrit
Als zwei weitere
Vorsokratiker, die nicht aus Milet stammten, jedoch ebenfalls nur
fragmentarisch überliefert sind, stellte Althoff abschließend Empedokles von
Akragas (um 483-424 v. Chr.) und Demokrit von Abdera (um 460-380 v. Chr.) vor.
Empedokles stellte die These auf, dass die Welt aus vier
"Wurzelwerken" (Feuer, Wasser, Luft und Erde) bestünde, welche wiederum die
dauerhaften Bestandteile der Welt seien. Entstehen und Vergehen aller Dinge sei
demnach nur ein Zusammensetzen beziehungsweise Auftrennen von Verbindungen aus
diesen Bestandteilen. Dies geschehe unter dem Einfluss zweier Wirkkräfte, der
"Liebe" (griech. philia) und des
"Hasses" (griech. neikos).
Demokrits Vorstellung geht im
Gegenzug von zwei Grundelementen aus, der Leere und den Atomen, also kleinsten,
sich jedoch voneinander unterscheidenden Teilchen, aus denen alles
zusammengesetzt ist. Methodisch schließt er von den sichtbaren Dingen auf die
unsichtbaren: Durch Bewegung der Atome im leeren Raum entstehen Konglomerate
aus zusammenpassenden Einzelbausteinen. Dementsprechend gebe es nicht nur eine,
sondern zahllose Welten, in denen verschiedenste Möglichkeiten der
Zusammensetzungen existieren.
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