Sacred Waters. The supernatural conceptualization of the sea in the Eastern Mediterranean Bronze Age

Ein Beitrag von Benny Waszk

Trotz der mittlerweile seit zwei Jahren andauernden Pandemiesituation versucht das Graduiertenkolleg 1876 mit einer digitalen Ringvorlesung seinen wissenschaftlichen Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten. Entsprechend hat am 13. Januar 2022 Mari Yamasaki, eine ehemalige Doktorandin und bis Dezember 2021 assoziiertes Post-Doc-Mitglied des GRK, Aspekte ihres Forschungsgegenstandes – den bronzezeitlichen Konzepten des Meeres – vorgestellt.

Fig. 1: Schiffsgraffito in der bronzezeitlichen Levante.

Die erste Hälfte ihres Vortrags „Sacred Waters. The supernatural conceptualization of the sea in the Eastern Mediterranean Bronze Age“ war den archäologischen Hinterlassenschaften auf Zypern und in der Levante gewidmet, welche aufgrund ihrer Fundumstände aller Wahrscheinlichkeit nach einen Glauben an übernatürliche Kräfte der See andeuten – Ankersteine, Schiffsmodelle und Graffito. Ritzzeichnungen von Booten an der Tempelwand und den Altären in Kition Kathari, Tel Acco und Nahal Ha-Me’arot stellen eine Verbindung der dargestellten Schiffe zu den Gottheiten in den Tempeln her. Dies gilt auch für die Votivgaben in Form von Schiffsmodellen, welche in Byblos niedergelegt wurden, und die in den Tempelstufen und Wänden verbauten Ankersteine stehen pars pro toto als Vertreter für das gesamte Schiff.

Fig. 2: Schiffswrack mit Götterstandbild.

Diese Verbindung zwischen übernatürlichem und maritimem Bereich konnte auch erreicht werden, indem man sakrale Elemente in das Schiff integrierte. Eine solche Deutung schlug Yamasaki für das Schiffswrack von Uluburun vor, wo eine mit Gold verzierte Statue im Bereich des Bugs gefunden wurde. Dieser Teil der Boote galt im syro-kanaanitischen Bereich als Sitz der Gottheiten, was auch von ägyptischen Zeitzeugen beobachtet und in Beamtengräbern bildlich dargestellt wurde – zum Beispiel im Grab von Kenamun.

Fig. 3: Umzeichnung der Malerein im Grab des Kenamun.

Welchen Gottheiten die Tempel in Byblos und Kition Kathari gewidmet waren, ist nicht eindeutig geklärt. Hier nehmen vermutlich Baal und Reschef eine besondere Rolle ein, aber keiner von ihnen ist primär ein Seegott. Die materiellen Hinterlassenschaften zeigen einen maritimen Bezug, jedoch fehlen bis heute archäologische Befunde und Funde, die die Existenz einer Seegottheit eindeutig belegen. Dagegen verweisen die Schriftquellen auf entsprechende Entitäten und liefern Indizien dafür, dass das Fehlen von Tempeln oder Standbildern dieser Gottheiten auf die Erhaltungsbedingungen zurückgeführt werden kann. Dementsprechend war die zweite Hälfte von Yamasakis Vortrag den historischen, rituellen Texten und Gelübden gewidmet um den Stellenwert der See aufzuzeigen. Hier zeigten sich eindrucksvoll die vielen Bedeutungsebenen und die komplexe Konzeptualisierung des Meeres.

Fig. 4: Tempelgrundriss in Byblus und in der Architektur verbaute Ankersteine.

Es ist ein Platz von göttlicher Natur, welcher mythologisch umkämpft ist und als Grenze für den Herrschaftsbereich fungiert. Parallel dazu wird das Meer auch als eine göttliche Kraft angesehen, als ein sogenanntes Numen, das in einer Reihe mit Göttern steht, ohne direkt als Gottheit angesprochen zu werden. Dies geschieht etwa in diplomatischen Briefen der Hetither an den ägyptischen Pharao. Im südanatolischen und levantischen Bereich verweisen parallel dazu ugaritische und hethitische Ritualtexte und Mythen auf personalisierte Meeresgötter namens Yamm oder Aruna, welche den Sturmgöttern Baal bzw. Tešub feindlich gegenüberstehen. In den ugaritischen Mythen gelingt es Baal den Herrschaftsbereich von Yamm zu übernehmen. Gleichzeitig existiert mit Athirat eine weibliche Meeresgottheit, die als Patronin der Fischer und Verbündete des Yamm angesehen wird. Die Verehrung der jeweiligen Gottheiten und die dahinterliegende Konnotation des Meeres – ob gefährlich oder fruchtbar – ist jedoch vom Kontext abhängig. So betonte Yamasaki beispielsweise, dass die materiellen Hinterlassenschaften darauf hindeuten, dass der Schwerpunkt der bronzezeitlichen Seefahrer auf der Verehrung des Baal lag. Der Grund dafür liegt in dem größeren Wirkbereich und Reisedistanzen und die damit einhergehende Kontextualisierung der See aus navigatorischer Perspektive, wodurch Wind und Himmel als bedeutender wahrgenommen wurden, als die von Yamm und Athirat verkörperten Aspekte. Ob Letztere im Umkehrschluss verstärkt bei Fischern verehrt wurden, muss aufgrund der Quellenlage offen bleiben. Es liegt jedoch nahe, dass aufgrund der küstennahen Aktivitäten und der Wirtschaftsweise an dieser Stelle das Hauptaugenmerk auf den Fruchtbarkeitsaspekt gelegt wurde. Gleichzeitig wurde von Yamasaki darauf hingewiesen, dass auch hier keine klare Grenze zwischen diesen Konzeptualisierungen gezogen werden kann. Der von Athirat als Fischerpatronin verkörperte Aspekt spielt auch bei längeren Seereisen und der damit notwendigen Versorgung der Besatzung eine wichtige Rolle – was durch eine mit der Gottheit assoziierten Frauendarstellung im Fundmaterial des Schiffswracks von Uluburun angedeutet wird. Gleichsam dürfte auch die Verehrung von Sturmgottheiten wie Baal für Fischer fern der Küstenlinie von Bedeutung gewesen sein.

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