Workshop von Martin F. Meyer: „Griechische Anthropologie“

Ein Beitrag von Dominik Berrens.
 
Am 27. November 2014 bot PD Dr. Martin F. Meyer einen vierstündigen Workshop zum Thema "Griechische Anthropologie" an. Der Philosoph Martin F. Meyer ist Akademischer Oberrat und Privatdozent am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Koblenz-Landau (Campus Koblenz) und beschäftigt sich vor allem mit der griechischen Philosophie. Viele seiner Publikationen sind eng mit der Thematik des Graduiertenkollegs verknüpft. Unter ihnen befinden sich mehrere Beiträge zum Arbeitskreis Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption (AKAN), ein Sammelband zur Kulturgeschichte der Botanik sowie seine Habilitationsschrift, die unter dem Titel "Aristoteles und die Geburt der biologischen Wissenschaft" in Kürze erscheinen wird.

 

Implizite und explizite Anthropologie

 
In Anlehnung an Landmanns Arbeit zur philosophischen Anthropologie (Fn. 1) verwendete Martin F. Meyer die Begriffe implizite und explizite Anthropologie. Eine explizite Anthropologie meint in diesem Zusammenhang, dass die Frage "Was ist der Mensch?" (τί ἐστιν ἄνθρωποςtí estin ánthrōpos) ausdrücklich gestellt wird, eine implizite, dass diese Frage indirekt aus dem Text geschlossen werden kann. Der Begriff "Anthropologie" wurde in seiner modernen Bedeutung in der Antike noch nicht verwendet.
 

Paradigmen einer impliziten Anthropologie

 
Der erste Teil des Workshops beschäftigte sich mit den Paradigmen einer impliziten Anthropologie, wie sie in den frühgriechischen Epen Homers sowie auch in den Historien Herodots zu finden sind.
Der grundlegende Antagonismus von Natur und Kultur bzw. zwischen wilden und zivilisierten Völkern ist vor allem in der Odyssee thematisiert. Einen besonders starken Gegensatz bilden dabei die hoch zivilisierte und fast schon idealisierte Kultur der Phäaken und die wilden Kyklopen. Die Kategorien, an denen dieser Gegensatz festgemacht wird (z.B. Sesshaftigkeit ­– Nomadentum; Recht – Rechtlosigkeit und Gewalt; Ackerbau – einfache Viehzucht) wurde im Rahmen des Workshops eingehender besprochen und diskutiert.
Sind wilde und zivilisierte Völker in Homers Epen noch in relativer räumlicher Nähe in der griechischen Welt lokalisiert, stellt sich dies in den Historien Herodots anders dar. In seiner Vorstellung leben die zivilisiertesten Völker im Zentrum der Welt (für ihn die kleinasiatische Küste). Die Lebensweise der verschiedenen Völker wird mit zunehmender Entfernung von diesem Zentrum immer einfacher.

Aufbruch zur expliziten Anthropologie

 

Der zweite Teil des Workshops war dem Beginn einer expliziten Anthropologie in den Texten des 5. und 4. Jhd. v. Chr. gewidmet.
Beginnend mit den medizinischen Schriften, etwa den frühen Werken des sogenannten Corpus Hippocraticum, wurde die Frage nach dem Menschen und seiner Natur explizit behandelt. Der Mensch wurde hier vor allem in seiner Körperlichkeit definiert.
Einem solchen Primat der medizinischen Anthropologie tritt vor allem Platon in seinen mittleren Dialogen entgegen. Mit seinen Texten legt er den Grundstein einer philosophischen Anthropologie.
 
Fußnote:
[1] Landmann, M. (1964): Philosophische Anthropologie. Menschliche Selbstdeutung in Geschichte und Gegenwart, Berlin.

Kommentare