Ein Vortrag von Dr. Chiara Ferella "Metaphors and Concepts of Body and Soul in Doctrines of Rebirth: A Case Study"

 Ein Beitrag von Jessica Knebel

Am 10.06.2021 präsentierte Dr. Chiara Ferella in der GRK-Plenumssitzung eine Fallstudie aus ihrem seit 2018 laufenden Postdoc-Projekt "Metaphors in Early Greek Concepts of Cosmos, Nature, Body and Mind". In ihrem anregenden Vortrag diskutierte Chiara Ferella das Konzept der Wiedergeburt und die damit zusammenhängenden Ideen und Metaphern des Körpers und der Seele nach Empedokles. 


Abb. 1: Titelfolie von Chiaras Vortrag.

Zu Beginn konkretisierte Chiara Ferella den Begriff der Wiedergeburt, der gewöhnlicherweise als Wanderung der Seele von einem Körper zu einem anderen aufgefasst werde. Diese Vorstellung der Seelenwanderung vermittle die Idee einer Entität, die von einem Körper zum nächsten übergehe. Herbert Long definiere die Metempsychose für das archaische und klassische Griechenland als „(…) belief that at death the soul passes into another body“ (Long 1948). Dies setze voraus, dass die Seele die vitale Agency sei und der Körper als Behälter der Seele passiv konzeptualisiert werde. Die Agency der Seele könne durch Reise-Metaphern ausgedrückt werden, beispielsweise „wandert die Seele“, „die Seele bewegt sich“, „die Seele geht über in“ oder „die Seele geht hinein und hinaus“. 

Nach Platon sei die Seele unendlich und besitze eine halbgöttliche vitale Agency, weswegen sie den Tod des Körpers überdauere und weitere Körper durchlaufe. Platon setze folglich den Fokus auf der Kontinuität der Seele. Daher stellte Chiara Ferella die Frage, ob diese Konzeptualisierung auch für vorplatonische Autoren, die sich zur Wiedergeburt äußerten, gültig sei. Als Fallstudie dient die Lehre zur Wiedergeburt von Empedokles. Methodisch verwendete Chiara Ferella die von Lakoff und Johnson geprägte konzeptuelle Metapherntheorie. 

Beginnend mit Empedokles’ Fragment DK 31 B 115 zeigte Chiara Ferella auf, dass die Formulierung „die harten Wege/Pfade des Lebens zu vertauschen“ der konzeptuellen Metapher LEBEN IST EINE REISE zuzuordnen sei. In diesem Fragment ließen sich weitere Wörter der Reise-Metaphorik zurechnen, beispielsweise „wandern“, „folgt ihm ins Meer“ und „wirft ihn“. Allerdings wies Chiara Ferella darauf hin, dass Reise-Metaphern nicht immer die Idee der Wiedergeburt ausdrücken müssen. Vielmehr berichte das Fragment davon, dass ein Gott aus der göttlichen Gemeinschaft ausgestoßen wurde und dies die zahlreichen Reise-Metaphern begründen würde. Hingegen würden sich andere Fragmente auf Empedokles Idee zur Wiedergeburt beziehen: Der Körper wird mit einer „unbekannten Tunika aus Fleisch“ eingekleidet (DK 31 B 126) oder Individuen werden „als Löwen geboren“ (DK 31 B 127) und dies könne auf eine körperliche Transformation hindeuten. Ein anderes Fragment (Abb. 2) beschreibt, dass „der Vater seinen Sohn in veränderterer Form hochhebt“ (DK 31 B 137). Anhand mehrerer Textbeispiele demonstrierte Chiara Ferella, dass Empedokles die Kontinuität einer individuellen Identität zur Nächsten postuliere.

Abb. 2: Textausschnitt zu DK 31 B 137

Chiara Ferella schlussfolgerte, dass Empedokles die Metapher der körperlichen Transformationen verwende, um die Wiedergeburt zu konzeptualisieren. Während Platon die Kontinuität der Seele betone, akzentuiere Empedokles Veränderungen des Körpers. Damit sei die Seele bei Empedokles abwesend oder inaktiv, während sich der Körper aktiv in eine andere Form transformiere. Wie Chiara Ferella anmerkte, wird Empedokles‘ Idee der Wiedergeburt durch Konzepte ausgedrückt, die eher einer Metamorphose als einer Metempsychose zuzuordnen sind. Die Vorstellung, dass die Seele einer Person den Tod überdauere, ist bereits in traditionellen Epen zu fassen: Zum Beispiel treffen die Seelen von Odysseus in der Unterwelt auf die Seele seiner Mutter und seiner Mitstreitenden, die die perfekten Abbilder der Individuen darstellen, und zwar wie sie im Leben waren. In diesem Beispiel sichere die Seele ihre postmortale Existenz.

Chiara Ferellas Vortrag verdeutlichte, dass besonders durch die Analyse von Metaphern verschiedene Konzepte (z. B. von Körper und Seele) sowie ganze Gedankensysteme aufgedeckt werden können. Die Metaphernanalyse helfe dabei, antike Denkprozesse zu ermitteln, ohne den Inhalt dabei mit modernen Gedanken zu assimilieren. Damit schloss Chiara Ferella ihren spannenden Vortrag zu Empedokles Konzept der Wiedergeburt ab und regte im Anschluss eine lebhafte Diskussion an.


Literaturauswahl
Inwood, B. (2001). The Poem of Empedocles. A Text and Translation with an Introduction. Rev. ed. Toronto/Buffalo/London.
Lakoff, G. and Johnson, M. (1980). Metaphors we live by. Chicago. 
Long, H. S. (1948). A Study of the Doctrine of Metempsychosis in Greece from Pythagoras to Plato. Princeton.
Trépanier, S. (2020). “The Spirit in the Flesh: Empedocles on Embodied Soul” in H. Bartoš and C. G. King (eds.), Heat, Pneuma, and Soul in Ancient Philosophy and Science. Cambridge Univ. Press.

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