Workshop „Körper und Gesellschaft. Körpersymboliken als Spiegel antiker Gesellschaften“

Ein Beitrag von Judit Garzón Rodríguez.

Am 16. und 17. April 2017 fand der Workshop „Körper und Gesellschaft. Körpersymboliken als Spiegel antiker Gesellschaften“ in digitaler Form statt, den die KollegiatInnen des DFG-Graduiertenkollegs 1876 Jessica Knebel, Christoph Appel, Francisco José Gómez Blanco, Benny Waszk und Judit Garzón Rodríguez organisierten.

Ab. 1, Flyer des Workshops.

Die Idee zu dieser Veranstaltung entstand aus dem Wunsch, einen interdisziplinären Dialog zwischen Altertumswissenschaftlern über ein Thema zu etablieren, das sich in allen unseren Disziplinen wiederfindet. Die Verwendung des Körpers als Spiegel einer Gesellschaft ist eine zeit-, kultur- und gruppenübergreifende Gemeinsamkeit. Das Thema steht auch in engem Zusammenhang mit den Forschungslinien des GRKs 1876 im Hinblick auf die Wahrnehmung und Beschreibung der Umgangsmodi mit dem Körper sowie dessen Repräsentationen, immer unter dem Aspekt der Universalität und Spezifität von Konzepten. Der Workshop widmete sich daher diesen Ansatzpunkten, um die Verwendungen und sozialen Assoziationen, die dem Körper gegeben werden, aus der Perspektive der Interdisziplinarität zu untersuchen.

Zwei Tage lang trafen sich in diesem Rahmen der Interdisziplinarität Angehörige verschiedener Disziplinen der Antike von unterschiedlichen Universitäten in Deutschland, Spanien, Argentinien und England, um digital über den Körper als soziales Element zu diskutieren. Dank der Vortragenden, die sich freundlicherweise für diesen Dialog zwischen den Disziplinen zur Verfügung gestellt haben, wurde es möglich, während des Workshops einige der Bedeutungen analysieren, die dem Körper in der Vor- und Frühgeschichte, aber auch im Alten Orient und Ägypten zugeschrieben werden. 

Das Grußwort lag in den Händen von Herrn Althoff, Professor für Klassische Philologie/Gräzistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Sprecher unseres Graduiertenkollegs der zunächst das GRK selbst und seine Interdisziplinarität mit in verschiedenen Disziplinen verankerten Projekten vorstellte sowie die Bedeutung der Erforschung von Konzepten in der Antike hervorhob. In der inhaltlichen Einführung zum Workshop durch Judit Garzón Rodríguez wurden zunächst die Grundüberlegungen erläutert, die zur Planung der Veranstaltung geführt hatten: Interdisziplinäre Diskussionen lassen erkennen, dass der Körper als soziales Element in der Antike auf sehr unterschiedliche Weise verstanden und behandelt wurde. In einigen Fällen sind gemeinsame Linien zwischen verschiedenen Kulturen zu finden, in anderen jedoch wird der Körper auf sehr unterschiedliche Weise behandelt. Hauptziel des Workshops war daher die Herausarbeitung und Diskussion konkreter wissenschaftlicher Fragestellungen zu Körpersymboliken in verschiedenen antiken Kulturen des Mittelmeerraums sowie die disziplinäre und interdisziplinäre Vernetzung von WissenschaftlerInnen. Dafür wurde der Körper in einer transkulturellen und sogar transhistorischen Weise kontextualisieren. Eine kritische Reflexion des antiken Körperverständnisses kann nicht vermieden werden, wenn eine Auseinandersetzung mit vormodernen Vorstellungen über den menschlichen Körper angestrebt wird.  


Block I: Vor- und Frühgeschichte

Im ersten Vortrag des Workshops „Der Körper als Zeichen? Körperkonzepte und Körpersymbolik aus Sicht der Prähistorischen Archäologie“ skizzierte Frau Dr. Melanie Augstein (Universität Leipzig) die Potenziale einer symbolischen Lesart des Körpers und deren Grenzen. In ihrem Vortrag zeigte sie uns die Möglichkeiten und Reichweiten, aber auch die Grenzen einer Disziplin auf, die auf schriftliche Zeugnisse verzichten muss, um Fragen der Körpersymbolik und Körperinszenierung, mithin Fragen der symbolischen Kommunikation interpretieren zu können.

Der zweite Vortrag „Gesichtslose Giganten, lose Köpfe und Fleisch aus Ton? Deutungsmöglichkeiten prähistorischer Kopfbehandlung in Vorderasien“ erfolgte durch Benny Waszk (Graduiertenkolleg 1876), der einen allgemeinen Überblick über exemplarische Funde und Befunde des epipaläolithischen bzw. präkeramischen Obermesopotamiens und der angrenzenden levantinischen Region lieferte. Er berichtete ebenfalls über Deutungsmöglichkeiten für die prähistorische Kopfbehandlung anhand postmortaler Schädelmanipulationen, steinerner Masken und Kopfdeponierungen in Bauwerken in Vorderasien.


Block II: Alter Orient

Herr Prof. Alexander Pruß (Graduiertenkolleg 1876) setzte sich während seines Vortrags „Mund, Nase, Ohren, Augen: Die Darstellung von menschlichen Sinnesorganen in altorientalischer Rundplastik“ mit der Symbolik solcher Objekte auseinander. Anhand der an verschiedenen Fundorten befindlichen Terrakotten wurde über die Darstellung der Sinnesorgane in diesen Kleinplastiken berichtet und dabei Fragen behandelt wie: Wie ist es zu erklären, dass in vielen dieser Figuren die Augen und Nasen sehr prominent dargestellt sind, während die Ohren oft nur angedeutet sind und der Mund (zumindest in manchen Perioden) fast immer fehlt? Warum sind manche Figuren mit geschlossenen Augen dargestellt, und warum gibt es kaum runde Großplastiken mit unversehrten Augen und Nasen.

Abb. 2, Screenshot während des Vortrags von Herrn Prof. Alexander Pruß. 

Frau Dr. Elisa Roßberger (Ludwig-Maximilians-Universität München) führte den Block mit ihrem Vortrag „Purity and Danger? Zur Körpersymbolik babylonischer Terrakottaplastik im späten dritten und frühen zweiten Jahrtausend v. Chr.“. Sie berichtete über verschiedene Interpretationen des nackten Körpers im Rahmen der Gender-Stereotypen, insbesondere bei weiblichen Figurinen, der babylonischen Terrakottaplastik. 


Block III: Ägypten

Die folgende Sektion, die sich mit dem Alten Ägypten beschäftigte, eröffnete Herr Dr. Uroš Matić (Österreichische Akademie der Wissenschaften). Mit seinem Vortrag „Kohlgefäße, Fayence und Schilf: Eine Untersuchung von Körpern, Funktionen, Symbolen und intraaktiven Objekten“ zeigte er, wie die Gefäße, in denen die schwarze Augenfarbe aufbewahrt wurde, in der Form von Schilfröhrchen mit dem Körper interagieren können. Während des Vortrags erklärte er die konzeptuelle Verschiebung durch die, Körper, Augenfarbe und Dinge zu intraaktiven[1]Objekten werden. Das heißt, das Verhältnis zwischen diese verschiedene „Aktoren“, wie sie sich wechselseitig beeinflussen.

Mit dem folgenden Vortrag „Anatomische Exvotos als Ausdrucksformen menschlichen Hilfsbedürfnisses und andere Formen der Volksfrömmigkeit im Alten Ägypten“ gab Judit Garzón Rodríguez (Graduiertenkolleg 1876) einen Überblick über einige altägyptische anatomische Exvotos. Durch eine vergleichende Analyse zwischen schriftlichen und archäologischen Quellen wurde die Verwendung und Bedeutung dieser anatomischen Votivobjekte als Antwort auf individuelle und kollektive Glaubensvorstellungen innerhalb eines bestimmten religiösen Rahmens erläutert.

Nach beiden Blöcken endete der Tag mit einer größeren Diskussionsrunde, in der die in den Vorträgen aufgeworfenen Fragen vertieft wurden, ebenso wie die Bedeutung des Studiums des Körpers als Spiegel von Glaubensvorstellungen und sozialen Normen.


Block IV (Teil 1): Klassische Antike

Der Samstag war der Symbolik des Körpers in der Klassischen Antike (Griechenland und Rom) gewidmet. Die Einführung in dieses Thema gab Dr. Steffi Grundmann (Bergische Universität Wuppertal) mit ihrem Vortrag „Haare salben, lösen und entfernen. Die Sexualisierung der Haare im Klassischen Griechenland“. Anhand verschiedener primärer Textquellen aus dem 5. und frühen 4. Jahrhundert v. Chr. zeigte sie Bezüge zu verschiedenen Frisuren oder Umgangsformen mit Haaren und deren Bedeutungsebenen auf. Sie leitete damit eine Debatte über die Sexualisierung von Haaren als kontextspezifisches wechselnde Bedeutungszeichen ein.

Mit seinem Vortrag „Trauern und siegen. Die Brust als Ort symbolischer Verdichtung in der griechisch-römischen Antike“ gab Christoph Appel (Graduiertenkolleg 1876) einen Überblick über die wichtigsten griechischen und lateinischen Lexeme, die einen Bezug zur Brust aufweisen. Anhand eines Vergleichs der beiden Sprachen erläuterte er die Charakteristika des Brustkonzepts in beiden Sprachen, um schließlich die Inszenierung der männlichen und weiblichen Brust in der griechischen und lateinischen Literatur (unter besonderer Berücksichtigung von Epos und Tragödie) darzustellen.


Block IV (Teil 2): Klassische Antike

Der erste Vortrag des letzten Blocks erfolgte durch Dr. Simone Voegtle (Universität Bern). Mit ihrem Vortrag „Die Hässlichkeit des Anderen. Karikaturen und verzerrte Körper als Identitätsstifter in der griechischen Antike“ präsentierte sie eine breitere Vision zum Thema Karikaturen, Lächerlichkeit und Hässlichkeit, die auf Fremde oder marginale Gesellschaftsgruppen projiziert wurde. Dafür stellte sie die komplexen Zusammenhänge dieses Phänomens der karikaturhaften Darstellungen und zeigte anhand von Beispielen die Rolle des abnormen Körperbildes in der griechisch-römischen Gesellschaft.

Im letzten Vortrag des Workshops „Infamis facies. Überlegungen zum (un)sichtbaren Gesicht der Gladiatoren“ präsentierte Francisco José Gómez Blanco (Graduiertenkolleg 1876) bildliche Darstellungen von Gladiatoren von Zeiten der Republik bis zur Spätantike, die sowohl Gladiatoren mit verdecktem als auch mit sichtbarem Gesicht zeigen. Er formulierte seine Beobachtungen zur Darstellungsmöglichkeiten – besonders der Figur des retiarius – und dieser Bedeutung, betonend, dass das sichtbare Gesicht im Bild eingesetzt wurde, um die Furcht, das Leiden oder den Tod in der Arena zu veranschaulichen.

Schließlich hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, an der letzten großen Diskussionsrunde des Workshops teilzunehmen. Erneut wurde eine lebhafte Debatte über die Symbolik des Körpers in den betrachteten Kulturen geführt, wobei auch Parallelen aus anderen, darunter auch modernen, Kulturen ins Spiel kamen.

Christoph Appel und Benny Waszk hielten das Schlusswort des Workshops und betonten die Wichtigkeit der Untersuchung des Körpers als universelles Symbolsystem, das jedoch von der eigenen Kultur abhängig ist.

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