Fishy Lifestyles – Ein Tandemvortrag von Sina Lehnig und Mari Yamasaki
Ein Beitrag von Katharina Zartner
Interdisziplinäres Arbeiten ist einer der wichtigsten
Grundpfeiler im GRK 1876 und wird im Rahmen verschiedenster Formate realisiert.
So zum Beispiel durch sog. Tandemvorträge, bei denen zwei Kollegiat_innen aus
unterschiedlichen Disziplinen Teile ihrer jeweiligen Projekte unter einem
gemeinsamen Aspekt vorstellen. Der Tandemvortrag von Sina Lehnig und Mari Yamasaki trug den Titel „Fishy Lifestyles. Considerations on maritime food
traditions in the ancient Eastern Mediterranean“ und entführte die Mitglieder
des GRKs auf eine spannende Suche auf den Spuren antiker Ernährungsgewohnheiten.
Man ist, was man
isst…
Der Mensch als Spezies ist nicht auf eine bestimmte
Art von Nahrung angewiesen. Als Omnivoren können Menschen ihre Essgewohnheiten
bis zu einem gewissen Grad an die äußeren Gegebenheiten anpassen und wenn nötig
auf andere Nahrungsmittel „ausweichen“. Dies birgt jedoch immer auch die
Gefahr, etwas Ungenießbares oder Giftiges zu konsumieren. Gleichzeitig ist der
menschliche Körper auf abwechslungsreiche Ernährung angewiesen, die ihn mit den
nötigen Nährstoffen versorgt. Dieser Balanceakt zwischen dem Finden geeigneter
Nahrungsquellen (Was kann der Mensch essen? Was ist verfügbar?) und dem
Sicherstellen der nötigen Vielfalt kombiniert mit religiösen Ge- und Verboten,
politischen Vorstellungen, Zubereitungsarten und ökonomischen Faktoren führt zu
spezifischen Essgewohnheiten, die einen essentiellen Bestandteil jeder Kultur
bilden. Ernährungsgewohnheiten spiegeln Traditionen, Sitten und Gebräuche sowie
Ideen und Konzepte wider und können so als wichtige Quelle bei der
Rekonstruktion vormoderner Weltanschauungen und kultureller Praktiken
herangezogen werden. Getreu dem Sprichwort „Man ist, was man isst“ geht der
Konsum von Lebensmitteln beispielsweise häufig mit der Vorstellung einher, dass
man auch deren Eigenschaften (ob tatsächlich oder zugeschrieben) in sich
aufnimmt.
Was bleibt? Hinweise
auf Essgewohnheiten im archäologischen Befund
Doch welche Möglichkeiten haben Archäologen überhaupt,
wenn sie Erkenntnisse über die Essgewohnheiten längst vergangener Kulturen
gewinnen wollen? Ein grundlegendes Problem hierbei ist, dass sich organische
Materialien nur schlecht bis gar nicht erhalten und die Funde von tatsächlichen
Speisen sich daher auf wenige Ausnahmen beschränken (z.B. ein verbrannter
Brotlaib aus Pompeji oder der Mageninhalt der Eismumie Ötzi). Da Ernährung
jedoch für Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort von gleichermaßen
grundlegender Bedeutung war, finden sich im archäologischen Befund zahlreiche
Hinweise auf die Beschaffung, Zubereitung, Aufbewahrung und den Verzehr von
Nahrung. So kann die Form, Beschaffenheit oder Fundstelle von Keramikgefäßen
Aufschluss über die Nutzung und die darin aufbewahrte oder zubereitete Nahrung
geben. Mittels Residuenanalysen können zudem etwaige Rückstände näher bestimmt
werden. Weitere Erkenntnisse können durch die Bestimmung von Tierknochen
(Archäozoologie) und Pflanzenresten (Archäobotanik) gewonnen werden. Ergänzend
können außerdem Text- und Bildquellen wichtige Hinweise auf schwer fassbare
Aspekte, wie mit bestimmten Speisen verbundene religiöse Vorstellungen,
liefern.
Warum
Inselbewohner keinen Fisch essen und wie der Fisch in die Wüste kam
Im Rahmen von Fallstudien aus ihren jeweiligen
Dissertationsprojekten glichen die beiden Tandem-Partnerinnen die Faktoren, die
bestimmend für Ernährungsgewohnheiten sind, mit dem archäologischen Befund ab
und gingen speziell der Frage nach, aus welchen Gründen marine Lebensmittel
(Fisch/Meeresfrüchte) ein Teil von Ernährungsgewohnheiten waren oder aber,
warum sie explizit nicht konsumiert wurden.
Abb. 1: Zwei Extreme? Die Insel Zypern und die Negey-Wüste als Fallstudien |
Mari Yamasaki beleuchtete die Konsumgewohnheiten auf der Insel Zypern in der späten Bronzezeit und stellte dabei fest, dass Fisch und Meeresfrüchte nur in unmittelbarer Nähe der Küste verarbeitet und verzehrt wurden, jedoch nicht im Hinterland der Insel. Generell spielte das Meer und damit zusammenhängende Vorstellungen oder Konzepte im Inland keine oder nur eine sehr geringe Rolle. Da ein Transport von Waren ins Landesinnere zu dieser Zeit technisch problemlos möglich gewesen wäre, muss es sich hierbei um eine bewusste Entscheidung gehandelt haben, die möglicherweise auf eine Feindschaft/gegenseitige Ablehnung zwischen den Küstenbewohnern und den Viehhirten des Hinterlandes hindeutet.
Sina Lehnig präsentierte eine Fallstudie aus der Negev
Wüste im heutigen Israel, wo in der Mehrzahl der Fundorte v.a. für die
byzantinische Zeit zahlreiche Überreste von Süß- und Salzwasserfischen sowie
von Muscheln nachgewiesen werden konnten. Dass Meeresfrüchte scheinbar ein wesentlicher
Bestandteil der Ernährung mitten in der Wüste darstellten, überrascht zunächst.
Doch neben eher praktisch Gründen, wie der Nutzung von Fisch als Proteinquelle,
können hier auch religiöse Gründe in Erwägung gezogen werden: Im Zuge der
Christianisierung wurden auch Ge- und Verbote in Bezug auf die Ernährung ausgesprochen.
Während Fleisch als negativ empfunden wurde und an vielen (Fasten-)Tagen im
Jahr nicht verzehrt werden durfte, galt Fisch als gesund für Körper und Geist.
Abb. 2: Knochen des im Roten Meer heimischen Papageifisches wurden in großer Zahl in der Negev-Wüste gefunden (Foto: S. Lehnig) |
Abb. 3: Spuren der Christianisierung in der
Negev-Wüste: Ruinen einer Kirche in der Siedlung Shivta (Foto: S. Lehnig)
|
Beide Fallbeispiele haben gezeigt, dass nicht nur
äußere Faktoren wie die Verfügbarkeit sowie geographische oder ökonomische
Gegebenheiten bestimmend bei der Wahl der Lebensmittel sind. Während das
Fallbeispiel der Negev-Wüste darauf hindeutet, dass über die Nahrung eine
Zugehörigkeit zum religiösen Zentrum Byzanz bezeugt wird, die die
landschaftlichen Aspekte, wie die extreme Trockenheit in der Wüste unbeachtet
lässt, ist in der Ablehnung mariner Ressourcen in Teilen der Insel Zypern eine
bewusste Abgrenzung von den Küstenbewohnern erkennbar. In beiden Fällen werden
also Identitätsfragen über rein praktische Kriterien bei der Nahrungsauswahl
gestellt, was eindrucksvoll verdeutlicht, welch großen Einfluss kulturelle
Faktoren in diesem Zusammenhang haben können.
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