11th International Congress on the Archaeology of the Ancient Near East (ICAANE) – München, 03.-07. April 2018

Ein Beitrag von Katharina Zartner.


Direkt nach Ostern, vom 03. bis zum 07. April, fand die sog. ICAANE (kurz für „International Congress on the Archaeology of the Ancient Near East“), eine der wichtigsten Konferenzen auf dem Gebiet der Vorderasiatischen Altertumskunde, bereits zum elften Mal statt. Gastgeber der im Zweijahresrhythmus stattfindenden Konferenz war diesmal die Ludwig-Maximilians-Universität München bzw. das Institut für Vorderasiatische Archäologie unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Adelheid Otto. Renommierte Professor_innen, (Nachwuchs-)Wissenschaftler_innen und Studierende aus dem weiten Feld der Vorderasiatischen Archäologie sowie aus benachbarten Disziplinen haben sich bei traumhaftem Frühlingswetter in Bayerns Hauptstadt zusammengefunden, um verschiedenste aktuelle Forschungsfragen zu diskutieren und sich auszutauschen.

Das wissenschaftliche Angebot war dabei sehr reichhaltig. Fünf Tage lang fanden mehr als 300 Vorträge in acht thematisch eingeteilten, parallel laufenden Sektionen statt: Mobility in the Ancient Near East, Images in Context, Archaeology as Cultural Heritage, Engendering Near Eastern Archaeology, Societal Contexts of Religion, Shaping the Living Space, Field Reports und Islamic Archaeology.

Zusätzlich gab es eine ganze Reihe an Workshops mit je bis zu zwölf Einzelvorträgen, in denen in kleineren Gruppen über verschiedene Themenschwerpunkte bezogen auf eine Region (z.B. das bronzezeitliche Zypern) oder Periode (z.B. die sog. Dark Ages in Mesopotamien) oder auf eine bestimmte (Be-)Fundgattung (wie achämenidische Residenzen oder glasierte Ziegel) diskutiert wurde. Während der Pausen bot sich außerdem die Gelegenheit, sich auf ca. 50 Postern über interessante und innovative Projekte, z.B. zum Thema Kulturgüterschutz, zu informieren oder an den Ständen der Fachverlage einen ersten Blick auf neu erschienene Literatur zu werfen. 

Eine derart große Konferenz bietet besonders für Nachwuchswissenschaftler_innen einzigartige Möglichkeiten, um mit renommierten Forschenden sowie dem wissenschaftlichen Nachwuchs auf internationaler Ebene in Kontakt zu kommen, Fragen zu stellen und wertvolles Feedback in Bezug auf die eigene Arbeit einzuholen. Durch den Besuch verschiedener Vorträge mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung (Ausgrabungsberichte, Ikonographie, Landschaftsarchäologie usw.) konnte ich zum einen wertvolle Einblicke in die unterschiedlichen Arbeits- und Herangehensweisen innerhalb der Archäologie gewinnen und zum anderen sowohl in methodischer als auch in inhaltlicher Hinsicht viel Nützliches und Interessantes dazu lernen.

Im Hinblick auf mein eigenes Dissertationsprojekt waren vor allem Vorträge der Sektion „Images in Context“, die vorrangig ikonographischen Themen gewidmet war, von Interesse; so zum Beispiel die Vorträge von Albert Dietz (München) und Diederik Meijer (Leiden) zu altorientalischen Wettergottheiten, da beide Forscher mit ähnlichem Material (Rollsiegel und andere Bildträger mit unterschiedlichen Darstellungsvarianten einer bestimmten Figur) arbeiten bzw. vor ähnlichen Fragen stehen (Wie lassen sich die Botschaften der antiken Bildwelt entschlüsseln?).
Als inspirierend und zukunftsweisend habe ich den Vortrag von Elisa Roßberger und Anna Kurmangaliev empfunden, die ein online-Datenbank-Projekt der LMU zur Erfassung von Siegeln und Siegelabrollungen vorstellten, dessen Grundprinzip es ist, komplexe Darstellungen in kleinere Einheiten zu zerlegen und so die Suche nach Einzelmotiven zu ermöglichen und gleichzeitig den jeweiligen Kontext und mögliche Parallelen aufzuzeigen.
Darüber hinaus ist mir besonders ein Vortragsblock aus der Sektion „Field reports“ in Erinnerung geblieben, in dem die neueren Grabungsergebnisse aus Ur (unter der Leitung von Elizabeth Stone) im heutigen Südirak vorgestellt wurden. Der Fundort faszinierte mit seinem Kultbezirk, den Wohngebäuden und dem berühmten Königfriedhof bereits ganze Generationen von Archäologen und dennoch scheint all das erst die Spitze des Eisbergs gewesen zu sein. Adelheid Otto stellte den Grabungsbefund eines Elitehaushaltes vor, Emily Hammer machte auf eindrucksvolle Weise deutlich, wie viele Erkenntnisse sich durch „remote sensing“, z.B. durch die Verwendung von Satellitenaufnahmen, gewinnen lassen und Anne Löhnert behandelte die neuesten Keilschrift-Textfunde, insbesondere Schultafeln.

Abb. 1: Die Autorin bei ihrem Vortrag mit dem Titel „Hairy Heroes“ (Foto: Francesca Meneghetti)

Meinen eigenen Vortrag mit dem Titel „Hairy Heroes“ habe ich in der oben bereits erwähnten Sektion „Images in Context“ präsentiert (Abb. 1). Vorgestellt habe ich einen Auszug aus meinem Dissertationsprojekt zur Figur des sechslockigen Helden, work in progress sozusagen. Im Fokus stand die problematische Frage nach der Identität der Figur mit einer anschließenden Spurensuche nach möglichen Hinweisen in der Bildkunst.
Gerade am Vortag war mir in der Aula der LMU ein modernes Dekorelement aufgefallen, welches das altorientalische Motiv des sechslockigen Helden aufgreift (Abb. 2) und die vielfältige Präsenz des Motivs – teilweise bis heute – unterstreicht. Zwar bin ich eigentlich nicht abergläubisch, doch scheint das Emblem als Glücksbringer gewirkt zu haben, denn die auf den Vortrag folgende Frage- und Diskussionsrunde war anregend und fruchtbar: Ich habe auf verschiedenste Arten ermutigende und zustimmende Worte, interessante Fragen, konstruktive Rückmeldungen und hilfreiche Literaturhinweise erhalten. All das soll nach Möglichkeit auch in die Publikation des Vortrages mit einfließen, welche im zur Konferenz geplanten Sammelband (ICAANE proceedings) erfolgen wird. 


Abb. 2: Modernes Emblem mit einer Darstellung des sechslockigen Helden im Kampf mit einem Löwen in der Aula der LMU München

Eine Konferenz wie die ICAANE bietet die Möglichkeit, die in stundenlanger, kleinteiliger Arbeit am Schreibtisch erarbeitete Theorie sozusagen einem Praxistest zu unterziehen und sich zusätzliches Feedback und konstruktive Kritik einzuholen. Bei den Diskussionen nach den Vorträgen, in den Kaffeepausen oder auch abends in entspannter Runde bei einem (natürlich bayrischen) Bier findet ein wertvoller Austausch mit einem internationalen Fachkollegium statt – über Forschungsfragen, über die aktuellste Fachliteratur sowie über laufende oder zukünftige Projekte. Es sind u.a. solche Gespräche, die helfen, unsere tägliche Arbeit in einen weiteren Kontext zu setzen, die uns einen neuen Blickwinkel einnehmen lassen und die somit neuen Input für individuelle Forschungsprojekte liefern. Nach einer lehrreichen Konferenzwoche mit zahlreichen interessanten Vorträgen, anregenden Gesprächen und fruchtbaren Diskussionen sowie vielen schönen Erinnerungen bin ich inzwischen wieder an meinen Schreibtisch im Graduiertenkolleg 1876 zurückgekehrt. Mitgebracht habe ich viele neue Ideen und Ansätze für mein Dissertationsprojekt, seitenweise Notizen mit Ideen und Literaturhinweisen und eine große Portion Motivation für die nächsten Wochen und Monate!

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