35. Treffen des Interdisziplinären Arbeitskreises "Alte Medizin"

Ein Beitrag von Sarah Prause.

Am 20. und 21. Juni 2015 fanden sich im Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz altbekannte und neue Gesichter zu dem bereits 35. Treffen des Interdisziplinären Arbeitskreises "Alte Medizin" zusammen.
 
Insgesamt 13 WissenschaftlerInnen aus Deutschland, England, den Niederlanden und Frankreich präsentierten unter der Leitung der Sprecherin und der Sprecher des Ausschusses des Arbeitskreises "Alte Medizin", Prof. Dr. Tanja Pommerening (Mainz), Junior-Prof. Dr. László Károly (Mainz) und Prof. Dr. Karl-Heinz Leven (Erlangen), ihre laufenden Projekte zu dem Themenfeld "Alte Medizin" einem interessierten Publikum. Der zeitliche und räumliche Bogen, der mit den Vortragsthemen abgedeckt wurde, spannte sich vom alten Ägypten über das antike Griechenland bis hin in das Europa der frühen Neuzeit.
 

Von Prognose- und Behandlungsmöglichkeiten in den alten Kulturen

 
Eröffnet wurde die diesjährige Tagung von Prof. Dr. Tanja Pommerening, die zugleich die erste Sektion des Tages moderierte. Zu Beginn referierte Robert Arnott (Oxford) über "Malaria and the Harappan Civilisation". Im Rahmen seines Vortrags stellte Robert Arnott dem Publikum anschaulich dar, dass Malaria zu den häufigsten und schwerwiegendsten Krankheiten der Harappa, einer Zivilisation im Nordwesten des indischen Subkontinents während der Bronzezeit, zählte. In diesem Zusammenhang informierte er über den Erreger, die Verbreitungsmöglichkeiten sowie die oftmals mit der Krankheit verbundenen sozialen Folgen innerhalb der Gesellschaft sowohl in Bezug auf die Harappakultur der Bronzezeit als auch der "modernen" Zeit.

Im Anschluss referierte Susanne Radestock (Leipzig) über das Thema "Zu exspektativer Behandlung in der ägyptischen Medizin". Anhand dreier Textbeispiele aus dem Papyrus Smith, dem sogenannten Wundenbuch, stellte Frau Radestock die Problematik der Deutung der darin enthaltenen therapeutischen Instruktionen sowie retrospektiven Prognosen dar.

Den letzten Vortrag dieser Sektion hielt Friedhelm Hoffmann (München) zu dem Thema "Die Pflanze 'Großer Nil'", die allem Anschein nach im alten Ägypten zur Schwangerschaftsprognose verwendet wurde. In diesem Zusammenhang schilderte er anschaulich die Problematik bezüglich der Identifizierung der Pflanze Großer Nil sowie mögliche Deutungsversuche sowohl in antiker als auch in moderner Zeit.
 

Über den Umgang mit heilkundlichen Quellen und deren Erkenntnisgewinn I: zum Wissenstransfer in den medizinischen Quellen


Die zweite Sektion des Tages wurde von Klaus-Dietrich Fischer (Mainz) moderiert. Zuerst informierte Valeria Zubieta Lupo (Mainz), Doktorandin unseres GRKs, in ihrem Vortrag über "Foreign knowledge in Ḫattuša: Mesopotamian Therapeutic Texts and Mesopotamian Physicians" über den Wissenstransfer innerhalb der antiken Welt anhand mesopotamisch therapeutischer Textbeispiele (Abb. 1).
 
Abb. 1: Valeria Zubieta Lupo (Foto: Sarah Prause).
Es folgte ein Doppelvortrag zu dem Thema "'Drei Dinge lassen den Körper wachsen' – ein vergleichender Blick auf die Regeln zur gesunden Lebensweise (diaita) in den beiden Talmudtraditionen". Hier stellten Tanja Hidde und Lennart Lehmhaus (Berlin) ihre Ansätze zur Analyse und Rekonstruktion der talmudischen Medizin anhand der in den Korpora zu findenden Hinweise auf eine richtige Ernährung und Körperpflege vor.

Zum Abschluss des offiziellen Programms des ersten Tages stellte Mathias Witt (München) in seinem Vortrag "'Aus Antyllos und Heliodoros' – zum Problem der doppelten Autorenlemma-Angaben in den byzantinischen Medizinpandekten, in Rhazes Liber Continens sowie in den syrisch-arabischen Übersetzungen der Hunain-Schule" vor, dass philologische Arbeit oftmals mit detektivischem Geschick verbunden ist.

Im Anschluss daran lud das GRK zu einem gemeinsamen Abendessen ein, bei welchem in geselliger Runde die Möglichkeit bestand, sich besser kennenzulernen und die Ergebnisse des Tages sowie weitere spannende Forschungsthemen zu besprechen.
 

Über den Umgang mit heilkundlichen Quellen und deren Erkenntnisgewinn II: leben und leben lassen

 
Am zweiten Tag begrüßte Karl-Heinz Leven (Erlangen-Nürnberg) das Publikum und moderierte die Vorträge des Vormittags.

Zu Beginn hielt Madeleine Mai (Mainz) ihren Vortrag zu dem Thema "No death without life. Zeugungskonzepte bei Aristoteles und Lukrez". Hier stellte sie zunächst die in der Antike vorherrschende(n) Vorstellunge(n) zur spontanen Entstehung des Lebens aus unbelebter Materie (generatio spontanea) vor und verglich diese miteinander, um auf diese Weise ihren Einfluss auf Vorstellungen in der Neuzeit zu beschreiben.

Daran anschließend referierte Jacqueline König (Leiden) zu dem Thema "Digging out the ancient Greek seed: Jouanna versus Lesky". In ihrem Vortrag zeigte Frau König prinzipielle methodologische Probleme und Fragestellungen bezüglich der Transferierung "moderner" Begrifflichkeiten auf die Antike sowie sich hieraus ergebende Theorien und deren Umgang mit diesen.

Nach einer kleinen Kaffeepause stellte Olga Chernyakhovskaya (Bamberg) in ihrem Vortrag "Die Vergiftung mit Schierling bei Nikander: Eine Phantasie des Dichters oder sinnvolle Iologie?" Nikanders iologisches Kompendium und dessen naturwissenschaftliche Bedeutung vor. In diesem Zusammenhang zeigte Frau Chernyakhovskaya, wie ertragreich die Einbeziehung von Erkenntnissen moderner Naturwissenschaften in die altphilologische Forschung sein kann.

Daran anschließend stellte Stefanie Rudolf (Berlin) dem Publikum in ihrem Vortrag "Die verlorenen syrisch-aramäischen Handbücher zur Medizin" eines der größten Probleme bezüglich der Erforschung syrischer Medizin vor: die fragmentarische Überlieferungslage. In Zusammenhang mit der Vorstellung ihrer Arbeit bewies Frau Rudolf jedoch, dass durch eine gründliche Arbeit auch heute verlorene Bücher als gute und geeignete Quellen zur Rekonstruktion vom Verständnis über Medizin herangezogen werden können.

Zum Abschluss der Sektion stellte Lutz Alexander Graumann (Marburg) in seinem Vortrag "Galens Lebensende: Vielleicht 212? Eine neue Hypothese" seine Theorie zum Sterbedatum des zumindest heute berühmten Arztes Galen vor dem Hintergrund zweier im weitesten Sinne antiker Kriminalgeschichten vor.
 

Projektvorstellung(en) zur Synthese heilkundlichen Wissens der frühen Neuzeit

 
Beschlossen wurde das Treffen durch zwei Vorträge unter der Moderation von László Károly (Mainz). Zunächst stellte Iolanda Ventrua (Orléans) in ihrem Vortrag "Charles Daremberg, Philologist and Scribe: Some Considerations on his Work on Medical Manuscripts preserved in the Région Centre (France)" ihre Arbeit innerhalb des Projektes "Santé en Région Centro" (SaRC) vor. Frau Ventura hat es sich zur Aufgabe gemacht, die bisher unbeachteten Notizbücher des Bibliothekars, Philologen und Medizinhistorikers Charles Daremberg nach gewinnbringenden Erkenntnissen über das heilkundliche Wissen zu untersuchen, um auf diese Weise einen Beitrag zur Entwicklung der antiken und mittelalterlichen Medizingeschichte zu leisten.

Anna Tropia (Orléans), ebenfalls Mitarbeiterin des oben genannten Projektes, stellte anschließend in ihrem Vortrag "New lights on MSS Vendome BM, 109, 175 and 172 and their connection with Pre-Salernitan Medicine" ihre Arbeit beispielhaft vor. 
 
 

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