Ausstellung und Tagung in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim: Mumien und Unsterblichkeit

Ein Beitrag von Rebekka Pabst und Oxana Polozhentseva

Ausstellung: Mumien. Geheimnisse des Lebens


Was hält die Frau mit den gekreuzten Beinen aus Südamerika in ihren geschlossenen Händen, was ist unter „Mumia vera“ zu verstehen und warum erhalten sich Leichen im Moor? Die Antworten auf diese und viele andere Fragen gibt die aktuelle Ausstellung „Mumien. Geheimnisse des Lebens“, die seit dem 16. September 2018 in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim eröffnet ist (Abb. 1). 


Abb. 1: Die richtige Antwort ist: Die Frau hält zwei menschliche Milchzähne.
Mumie einer Frau mit gekreuzten Unterschenkeln. Peru, Zentralküste; Chancay-Kultur 1390 bis 1460 n. Chr.; Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim.
© rem, Foto: Jean Christen




German Mummy Project

Die Sonderausstellung präsentiert Mumien aus allen Teilen der Welt (mehr als 50 Mensch- und Tiermumien) sowie überraschende Forschungsergebnisse, die vom German Mummy Project stammen. Den Anstoß für dieses internationale und interdisziplinäre Projekt gab die sensationelle Wiederentdeckung von 20 verschollen geglaubten Mumien in den Depots der Reiss-Engelhorn-Museen im Jahre 2004. Die Mannheimer Mumien sowie erste Befunde ihrer Erforschung wurden 2007 der Öffentlichkeit im Rahmen einer ersten großen Ausstellung bekannt gemacht. Jetzt gilt das German Mummy Project als eines der international renommiertesten Forschungszentren, das sich mit der wissenschaftlichen Untersuchung von Mumien beschäftigt (Abb. 2).



Abb. 2: Mumie einer Frau mit gekreuzten Unterschenkeln: CT-Aufnahme.
Die computertomographische Analyse offenbarte zwei ca. 1 cm große Objekte in den geschlossenen Händen der Frau. Dabei handelt es sich um menschliche Milchzähne. Der Grund für diese Beigabe ist unbekannt.
© German Mummy Project, rem


Mumien als Archive des Lebens

Was ist das Besondere an Mumien und worin besteht der Reiz ihrer Erforschung? Die Ausstellung macht deutlich, dass Mumifizierung ein weltweites Phänomen ist und dass Mumien außergewöhnliche Archive des Lebens sind, die uns einen Einblick in die Vergangenheit ermöglichen. Mumien verbergen in sich wertvolle Informationen zu Umweltbedingungen, Lebensumständen, Ernährungsgewohnheiten oder Verletzungen und Krankheiten. Erkenntnisse solcher Art ergeben sich mittels moderner Methoden wie Radiokarbondatierung, Gesichtsrekonstruktion, Computertomographie, aber auch die Ansätze von Anthropologie, Forensik und Genetik tragen zur Vervollständigung des Bildes bei (Abb. 3).



 Abb. 3: Endoskopie bei der Kindermumie aus Südamerika.
© rem, Foto: Wilfried Rosendahl

Dank in der Ausstellung inszenierten Laborbereichen (Abb. 4) ist es möglich, die facettenreiche Methodenwelt der modernen Mumienforschung hautnah zu erleben.

Abb. 4: Inszeniertes Labor. Gesichtsrekonstruktion.
© Foto: Rebekka Pabst
 
Die einzigartige Möglichkeit, sich als Mumienforscher auszuprobieren und ins Innere einer Mumie einzutauchen, bietet den Besuchern eine Virtual-Reality-Station (Abb. 5).

  Abb. 5: Virtual Reality Station. 
© Foto: Rebekka Pabst

Auch zwei Doktorandinnen des Graduiertenkollegs 1876 besuchten diese Ausstellung, da sie thematisch eng mit zwei zurzeit laufenden Dissertationsprojekten (,Der tote Körper. Untersuchungen zu Konzepten vom „Leichnam“ im Alten Ägypten.‘ von Rebekka Pabst; ,Tote Körper: Semantiken des Sterblichen in den mittelalterlichen deutschen Texten.‘ von Oxana Polozhentseva) verwandt ist. Die Einladung erfolgte auf Initiative von Frau Prof. Dr. Pommerening, die sowohl die Ausstellung als auch die Tagung gemeinsam mit ihren Doktorandinnen besuchte (Abb. 6).


Abb. 6: Besuch der Ausstellung „Mumien. Geheimnisse des Lebens“ vom Graduiertenkolleg 1876.
© Foto: Tanja Pommerening

Die Ausstellung „Mumien. Geheimnisse des Lebens“ läuft noch bis 31.03.2019.




Tagung: Unsterblichkeit – 

Traum oder Trauma?

Begleitend zur Sonderausstellung „Mumien – Geheimnisse des Lebens“ veranstalteten die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (rem Mannheim) gemeinsam mit dem Historischen Institut der Universität Mannheim eine Tagung mit dem Titel: „Unsterblichkeit – Traum oder Trauma?“ (Abb. 7). Verantwortlich für die Organisation der Tagung, welche vom 11.–12. Oktober im Zeughaus in Mannheim stattfand, waren Prof. Dr. Hiram Kümper sowie Prof. Dr. Wilfried Rosendahl. 

Abb. 7: Flyer zur Tagung „Unsterblichkeit – Traum oder Trauma?“.



Ziel der Tagung war es, sich der Thematik der Unsterblichkeit interdisziplinär anzunähern. Vertretene Fachrichtungen waren beispielsweise die Geschichtswissenschaften, Zelltherapie, Kunstgeschichte, Religion, Sport- und Fitnessgeschichte, Altersforschung, Informatik sowie die Wirtschaftswissenschaften (Abb. 8). Entsprechend der Zielsetzung der Tagung beleuchteten Wissenschaftler/innen sowie Expert/inn/en der verschiedenen Fachrichtungen das Thema Unsterblichkeit aus ihrer jeweiligen Perspektive. 



 Abb. 8: Tagungsprogramm.

So führte Dr. med. Thomas Kirschning an, dass die Frage nach dem Zeitpunkt des Todes zunächst immer eine gesellschaftliche und kulturelle Kontroverse ist. Aus medizinischer Sicht hingegen wird ein Mensch dann als „tot“ betrachtet, wenn ein vollständiger Hirnfunktionsausfall diagnostiziert wird. 

Einen Überblick zu verschiedenen Jenseitsvorstellungen gegenwärtiger Religionen präsentierten die beiden Pfarrer Kyra Seufert und Gerd Frey-Seufert. Dabei zeigten sie, dass die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele eine ursprünglich „heidnische“ Vorstellung ist, die im frühen Christentum nicht existierte und erst in späterer Zeit übernommen wurde. 

Die „Memoria-Unsterblichkeit“, also das „Nicht-Vergessen-Werden“ durch die Nachwelt wurde von Prof. Dr. Christian Mann diskutiert. Er versteht die „Memoria“ als dominante Form der Unsterblichkeit in der griechisch-römischen Welt. Der Nachwelt in Erinnerung bleiben konnte man beispielsweise durch einen monumentalen Grabbau. Im antiken Griechenland aber wurden vor allem die Leistungen von Athleten gewürdigt, auch lange nach deren Ableben.

Die Stammzellenforschung wird heutzutage kontrovers diskutiert. Prof. Dr. Jochen Sven Utikal präsentierte einige Alternativen zur embryonalen Stammzellenforschung, die auch unter moralischen Gesichtspunkten vertretbar wären. Er zeigte zudem den großen Nutzen der Stammzellenforschung auf. So könnten in Zukunft mithilfe künstlich hergestellter eigener Stammzellen Krankheiten wie z. B. Krebs erfolgreich bekämpft werden. 

Die Voraussetzungen für ein langes Leben betrachtet Prof. Dr. Christoph Rott. Für seine Analyse befragt er mehrere Hundertjährige verschiedener Nationalitäten. Überraschenderweise stellte er während seiner Untersuchungen fest, dass eine ausgewogene Ernährung, Sport und „gute Gene“ keine Garanten für ein hohes Alter sind. Signifikant erscheint dagegen eine relativ hohe Anzahl von Nachkommen zu sein. Entgegen der landläufigen Meinung handele es sich bei Hundertjährigen keinesfalls um völlig gesunde Menschen, dennoch kommen bei dieser Altersgruppe geistliche Gebrechen wesentlich seltener vor als körperliche Beschwerden. Durch Gespräche mit Hundertjährigen erfuhr Rott, dass diese sich nicht mehr vor dem Tod fürchten.


Abb. 9: Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Hiram Küpper, Prof. Dr. Tanja Pommerening, 
Moderator Gabor Paal und Prof. Dr. Wilfried Rosendahl (v. links n. rechts).
© Foto: Rebekka Pabst
 

Neben den insgesamt 14 präsentierten Vorträgen wurde zudem am 11. Oktober eine Podiumsdiskussion zum Thema: „Stumme Zeitzeugen. Was uns Mumien erzählen“ angeboten. Die Expertenrunde bestand aus der Ägyptologin Prof. Dr. Tanja Pommerening, dem Historiker Prof. Dr. Hiram Küpper sowie dem Direktor der rem Mannheim, Prof. Dr. Wilfried Rosendahl (Abb. 9). Besprochen wurde u. a., wie neue Forschungsmethoden – wie etwa der 3D-Scan – das Wissen von damaligen Lebensumständen, Ernährungsgewohnheiten, etwaigen Krankheitsbildern oder genutzten Einbalsamierungstechniken verändern kann. Der Beitrag kann im SWR2 Forum abgerufen werden: http://swr2forum.radio.de/




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