38. Treffen des Interdisziplinären Arbeitskreises „Alte Medizin“ am 30.06. und 01.07.2018

Ein Beitrag von Sandra Hofert.
Der Aufbau und die Funktionsweise des menschlichen Körpers, Krankheit und Heilung, Leben und Sterben – jede Zeit und jede Kultur setzt sich auf ihre ganz eigene Weise mit Fragen von Heilkunde und Medizin auseinander. Dabei blickt die Wissenschaft der Medizin, wie wir sie heute kennen, auf eine lange und abwechslungsreiche Geschichte zurück, auf ein dynamisches Wechselspiel von zeit- und raumübergreifenden Traditionen und spezifischen Bräuchen, auf ein Ineinander von Überlieferung und Innovation.
Der Erforschung dieser vielseitigen und bewegten Geschichte widmet sich der Interdisziplinäre Arbeitskreis „Alte Medizin“ (IAK). So ist die Johannes Gutenberg-Universität Mainz seit fast 40 Jahren jährlicher Treffpunkt zahlreicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich aus ganz verschiedenen Perspektiven mit der Erforschung der Alten Medizin beschäftigen. Unterschiedliche Disziplinen wie die der Medizin-, Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte, der Archäologie, der Ägyptologie, der Altorientalistik oder der Arabistik, der Klassischen Philologie, der Byzantinistik, der Mediävistik, der Germanistik, der lateinischen Philologie des Mittelalters oder der Alten Geschichte finden hier eine Plattform, um in einen interdisziplinären und internationalen Dialog zu treten. Dabei bietet die Jahrestagung sowohl etablierten Expertinnen und Experten als auch engagierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern die Möglichkeit eines internationalen und interdisziplinären Austauschs.
Auch bei der diesjährigen Jahrestagung des IAK, organisiert von der Sprecherin des Arbeitskreises, Prof. Dr. Tanja Pommerening, versammelten sich wieder zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ganz unterschiedlicher Disziplinen.

Unter den zahlreichen Sprecherinnen und Sprechern des zweitägigen Programms waren u. a. Dr. des. Frank Ursin (Ulm), der in seinem Vortrag der interessanten Frage nachgegangen ist, wie unsere modernen Vorstellungen von den Schönheitspraktiken Kleopatras entstanden sind und in welchem Verhältnis diese zur historischen Realität stehen. Ferner setzte sich Dr. Nicola Reggiani (Parma) mit der Praxis der Mumifizierung im Alten Ägypten auseinander, Dr. Stefan Wagner (Erlangen-Nürnberg) ging der Erforschung der Attischen Seuche nach, Prof. Dr. med. Josef Neumann (Halle) fragte nach dem spätantiken Verständnis des deformierten Körpers als Zeichen eines Fluchs, PD Dr. Isabel Grimm-Stadelmann (München) stellte ihre Forschungen zu Spuren altägyptischer Weisheit in der byzantinischen medizinischen Gebrauchsliteratur vor und Dr. Ivea Ancevska (Liepāja, Lettland) sprach über die Interdisziplinarität lettischer Heiltraditionen.
Es war ein vielfältiges und interessantes Programm mit zahlreichen weiteren Sprecherinnen und Sprechern (eine ausführliche Übersicht finden Sie hier).

Auch das GRK 1876 „Frühe Konzepte von Mensch und Natur“ war vertreten durch Vorträge zweier Promovierender: Aleksandar Milenković zeigte in seinem Vortrag „Greenish-yellow symptoms in Greek medicine: the problem of colour chlōrós in the Hippocratic Corpus“ anhand eines Beispiels, wie anspruchsvoll es für heutige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist, frühere Schriftquellen zu interpretieren und wie untrennbar die Frage nach der Übersetzung einzelner Begriffe mit dem Verständnis der damaligen Konzepte verbunden ist.
Promovierende des GRK 1876 bei ihren Vorträgen: Aleksandar Milenković...


Sandra Hofert setzte sich in ihrem Vortrag „Funktionalisierung von Tieren in den Diskursen der Melancholie“ mit der Frage auseinander, welche Rolle Tiere in vormodernen Melancholie-Diskursen spielen können: Wie werden sie beispielsweise als Heilmittel gegen die melancholische Krankheit instrumentalisiert? Wird auch ihnen das melancholische Temperament zugeschrieben? Der Vortrag konnte zeigen, wie untrennbar Grenzziehung und Grenzüberschreitung, Selbstdefinition und Naturverständnis ineinanderwirken und wie eng das Konzept von der Natur mit ihrer Funktionalisierung zusammenhängt.
... und Sandra Hofert (Photos: Shahrzad Irannejad)

Den Abschluss der Tagung bildete eine ganz besondere Überraschung: Organisiert von PD Dr. med. Matthias Witt (München) und Dr. Marie-Laure Monfort (Paris) haben sich zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammengetan, um zu Ehren von Prof. Dr. phil. Klaus-Dietrich Fischer, dem langjährigen Organisator des Arbeitskreises „Alte Medizin“, gemeinsam einen Sammelband zu erstellen. Mit einem herzlichen Dank an Prof. Fischer für sein Engagement in der Wissenschaft und seine einflussreichen Forschungen wurde die baldige Publikation dieses Bandes verkündet.
Damit ging eine Tagung zu Ende, die in freundlicher Atmosphäre den internationalen Austausch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen ermöglicht und so möchte ich mich abschließend nochmal ganz herzlich für die Organisation und die zahlreichen interessanten Gespräche und Diskussionen bedanken.

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