Rituale des kultischen Kalenders als Quelle für unsere Kenntnis altorientalischer Konzepte von Kosmos und Zeit – Projektvorstellung Tim Brandes am 11.06.2015

Ein Beitrag von Tristan Schmidt.

Am 11. Juni 2015 stellte Tim Brandes im Rahmen der Plenumssitzungen des Graduiertenkollegs den Trägern und Kollegiaten sein Dissertationsprojekt vor, das den Titel "Rituale des kultischen Kalenders als Quelle für unsere Kenntnis altorientalischer Konzepte von Kosmos und Zeit" trägt.

Der Vortrag begann mit einer allgemeinen Erläuterung zum Aufbau des Dissertationsprojektes sowie einer kurzen Erklärung zum methodischen Vorgehen. Dem folgte die Besprechung eines Fallbeispiels, im Zuge dessen verschiedenen Konzepten von Zeit in einem Ritualtext nachgegangen wurde.
 

Exkurs: Natur in Mesopotamien


Im Rahmen eines Exkurses ging Tim Brandes auf die grundsätzliche Sicht der Mesopotamier auf die Natur ein, wie sie sich in den Texten darstellt. Die Beispiele verdeutlichten, dass die Natur in Mesopotamien oftmals mit den Göttern in Verbindung gebracht wurde. So kommunizierten die Götter beispielsweise durch die Natur und ihre Phänomene mit den Menschen. Aber die Natur weist selbst auch einige numinose Wesenszüge auf. Nicht zuletzt war die Interaktion der Mesopotamier mit der Umwelt somit einer religiösen Färbung unterworfen. 
 

Quellen und Fragestellungen

 
Von dieser Prämisse ausgehend soll im Rahmen des Dissertationsprojektes von Tim Brandes der Zusammenhang zwischen Natur und Ritual beleuchtet werden. Der Fokus soll dabei auf den damit verbundenen Konzepten von Kosmos und Zeit liegen.
 
Folgende Fragestellungen sollen die Analyse des Quellenmaterials leiten:
  • Wie wurde die Natur Mesopotamiens im Ritual verarbeitet?
  • Welche Funktion erfüllt die Natur im Ritual?
  • Welche Konzepte von Natur, speziell von Kosmos und Zeit, lassen sich daraus ableiten?
  • Welchen Einfluss hat Natur auf rituelle Aktivität?
  • Welchen Einfluss hat rituelle Aktivität auf die Natur?

Neben den Ritualen finden auch andere Quellen Beachtung, die ergänzend dazu weitere Informationen liefern können. Darunter fallen etwa einige mythische Texte, wie das enūma eliš, Omina, Hemerologien und Menologien, vereinzelt auch Briefe und v. a. "wissenschaftliche" Literatur, die mit Ritual und Kult in enger Verbindung steht. Wie auch bei den Ritualen lassen sich diese Quellen ins erste Jahrtausend v. Chr. datieren.

 

Fallbeispiel: Ein Ritual zur Sonnenwende?



Das Fallbeispiel beschäftigte sich mit einem bestimmten Terminus, der in dem von Herrn Brandes untersuchten Ausgangstext (BM 47474) in Zusammenhang mit einem Ritual auftritt. Der Terminus zeigt, dass das im Ausgangstext geschilderte Ritual an einem speziellen Tag durchgeführt werden sollte. Der Text selbst gibt allerdings keine weiteren Angaben oder Hinweise darauf, worum es sich bei diesem speziellen Tag handeln könnte. Anhand des sekundären Quellenmaterials zeigte Tim Brandes im weiteren Verlauf des Vortrages auf, dass es für die Deutung dieses Terminus zwei verschiedene Möglichkeiten gibt.
 
Zum einen könnte ein spezifisches kalendarisches Datum gemeint sein, das v. a. in administrativen Texten genannt wird. Zum anderen könnte aber auch ein Tag beschrieben sein, der um das Sommersolstitium herum angesiedelt ist. Letzteres machte es möglich, in dem beschrieben Ritual eine Zeremonie im Kontext der Sonnenwende zu sehen.
 
 Insgesamt zeigte das Fallbeispiel den engen Zusammenhang zwischen der Zeit, genauer der präzisen Durchführung bestimmter Rituale, und dem Kosmos. Beides wurde nach mesopotamischer Vorstellung von den Göttern gleich einem ineinandergreifenden Mechanismus eingerichtet. Bestimmte Ereignisse im Lauf der Natur mussten sich zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr ereignen. Eine solche Ordnung lässt sich auch auf den mesopotamischen Kult- und Ritualbetrieb übertragen.

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